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Windel

Die Windel ist ein körpernah getragenes Hilfsmittel zur Aufnahme von Urin und Stuhl. Verwendet werden Windeln überwiegend von Menschen, die ihre Ausscheidungen nicht kontrollieren können oder wo eine Inkontinenz z.B. nach einer Alkoholvergiftung herbeigeführt wurde. In vielen Ländern ist es üblich, dass Kinder eine Windel tragen, bis sie die vollständige Kontrolle über Blase und Schließmuskel erlebt haben. In der Regel werden Kinder tagsüber nach 28 Monaten trocken und sauber. Spätestens nach dem 5. Lebensjahr wird man auch nachts trocken.

Im zunehmenden Alter verliert man wieder die Kontrolle über Blase und Schließmuskel. Windeln werden jedoch nicht nur von Säuglingen, Kleinkindern und älteren Menschen getragen, sondern auch von Menschen mit Harn- und Stuhlinkontinenz oder wenn es ihr Beruf nicht anders zulässt, wie es bei Astronauten der Fall ist. Jedoch werden Windeln auch von Personen getragen, wo nicht unbedingt eine medizinische Notwendigkeit besteht, die sind den Windelfetischismus zuzuordnen.

Windeln sind so alt wie die Menschheit selbst. Schon im 4. Jahrhundert kamen Windeln zum Einsatz, die aus Leder bestanden und als Saugeinlage diente Moss. Mit so einer Windel wurde auch Jesus gewickelt. Die Jesus-Windel wird übrigens im Aachener Dom aufbewahrt. Anfänglich war das „Fatschen“ weit verbreitet, dabei wurde das Baby fest mit Stoffbinden umwickelt, so dass es sich nicht mehr bewegen konnte. Von dieser Wickeltechnik stammte das Wort Windel ab. Genau gesagt von „winden“, das sich auf die Bänder bezieht, die das Gesamtpaket zusammenhielten. Die Ägypter haben ihre Kinder ca. 370 – ca. 460 vor Christus gewickelt. Etwa 600 Jahre v. Chr. schrieb der Prophet Ezechiel vom Salzen und Wickeln von Säuglingen.

In der griechischen und römischen Antike wurden neugeborene gewickelt. Die bei weitem ausführlichste Beschreibung einer Wickelmethode in der Antike stammt von dem griechischen Arzt Soranus von Ephesus (um 100 n. Chr.), einer zentralen medizinischen Autorität der Antike. Er praktizierte in Rom. Nach der Geburt wurde das Kind gewaschen, abgenabelt und mit Salz bestreut. Dann folgte das für Soranus unerlässliche Wickeln des Kindes. Nach antiken Auffassungen war der Babykörper weich und formbar. Daher sollte das Kind durch die Wickelbänder körperlich geformt werden. Jedes einzelne Körperglied des Kindes wurde in der Antike gewickelt, danach der ganze Körper, der so in eine unbewegliche Streckstellung gebracht wurde. Anschließend wurde es in eine Wiege gelegt, die bereits im Altertum verwendet wurde. Laut Soranus sollte das Baby etwa 40 bis 60 Tage lang gewickelt werden.

Das Wickeln war über das gesamte Mittelalter verbreitet. Es war seit der Antike mit dem Ammenwesen verknüpft. Im Mittelalter war es üblich, dass viele Kinder von Ammen betreut wurden. Auch sie waren der Meinung, dass mit den „Fatschen“ das Kind besser ruhig zu stellen ist. Die medizinischen Autoritäten des Mittelalters waren noch weitgehend von Soranus‘ Ansichten beeinflusst. Auch sie argumentierten bei der Begründung des Wickelns praktisch ausschließlich damit, dass der Körper des Neugeboren weich und formbar sei und daher eine Formung benötige. Bartholomaeus Anglicus wollte durch Wickeln Verdrehungen der Glieder verhindern. Etwa um das Jahr 1250 schrieb er in seinem Werk Über die Ordnung der Dinge:

„Die Glieder des Kindes haben wegen ihrer Zartheit eine fließende Struktur und nehmen verschiedene Gestalt an, und deshalb müssen die kindlichen Glieder mit Windeln oder anderen passenden Binden gefesselt werden (sunt liganda), damit sie nicht ganz verfallen oder eine andere Verformung erleiden.“ Wie lange ein Kind im Mittelalter gewickelt wurde, lässt sich kaum rekonstruieren. Die Windel im 18. Jahrhundert waren Schafwollhöschen, die mit Stroh und Heu ausgelegt waren.

Erst Ende des 18. Jahrhunderts kamen Tücher zum Einsatz. Drei Tücher wurden übereinander gewickelt, wovon das mittlere in Olivenöl, heißes Fett oder Bienenwachs getaucht war. Das gewährleistet in dieser Zeit die Dichte der Windel. Es war die Geburtsstunde der Stoffwindel. Im 19. Jahrhundert wurden Babys üblicherweise mit Mullwindeln gewickelt, später zusammen mit einer Gummihose. Erst in den 1950er Jahre kamen Stoffwindeln-Systeme zum Einsatz, die erst mit einer Sicherheitsnadel, später mit Klettverschlüssen versehen war. Die heutigen Stoffwindeln, haben jedoch wenig mit den anfänglichen Versionen gemeinsam. Stoffwindeln haben jedoch den großen Nachteil, dass sie nach Gebrauch immer umständlich gewaschen werden mussten. Als die Windeln noch mit der Hand gewaschen wurden, war es eine schweißangelegte Angelegenheit.

Die US-Amerikanerin Marion Donovan wollte Anfang der 50er Jahre den Windelmarkt revozieren. Sie erfand die erste Einwegwindel. Jedoch die Papierfabriken waren von ihrer Idee nicht wirklich überzeugt. Sechs Jahre später widmete sich der US-Amerikaner Victor Mills der Einwegwindel zu. Zu dieser Zeit wurde er gerade Großvater und keine Lust, seinen Enkel umständlich mit Baumwollwindeln und Gummihosen zu wickeln. Im Jahre 1957 kaufte Procter & Gamble die Chamin Paper Company in Green Bay (Wisconsin) und Mills erhielt den Auftrag, sich für die Papiersparte neue Produkte auszudenken. So beauftragte er seine besten Mitarbeiter, eine Wegwerfwindel zu entwickeln. Nach ersten Produktions- und Anlaufschwierigkeiten kam die „Pampers“ 1961 auf den amerikanischen Markt und sorgte in Deutschland jedoch erst ab 1973 für großes Aufsehen. Das Wort „Pampers“ kommt aus dem englischen „to pamper“ und bedeutet so viel wie „verwöhnen“ oder „verhätscheln“.

Ohne von Victor Mills zu wissen, reichte Billy Gene Harper ebenfalls ein Patent ein, was praktisch identisch wie von Mills war. Die Idee bestand darin, das Problem durch Verwendung eines besonderen Polymers zu lösen, das zu kleinen Flöckchen geschreddert wurde, wies es die bemerkenswerte Eigenschaft auf, Wasser bis zur dreihundertfachen Menge seines eigenen Gewichts aufnehmen zu können. Billy Gene Harper und sein Team beschrieben in ihrer Patentanmeldung, wie sie etwa zwei Gramm dieses Polymers zwischen zwei quadratische Tücher aus feinem Nylongewebe verteilten und die Tücher dann miteinander verbunden hatten. Diese „Windel“ wurde anschließend an einem rund sechs Monate alten Säugling praktisch erprobt. Etwa vier Stunden nach dem Anlegen wurde die „Windel“ wieder abgenommen und gewogen. Sie brachte jetzt gut 120 Gramm auf die Waage, die Flocken hatten etwa das sechzigfache ihres Eigengewichts an Urin aufgenommen. Billy Gene Harper und Carlyle Harmon gelangten beide damit zum Schluss, das Papierproblem lasse sich nicht dadurch lösen, dass man die Höschenwindeln mit immer dickeren Papierfaserwulsten auspolsterte. Eine Hand voll des Polymers würde diese Aufgabe besser erledigen können. Damit war auch bewiesen, dass diese Polymere für Höschenwindeln eine vielversprechende Zukunft hatten.

Die erste Windel hatte eine schlichte rechteckige Form und ihr Futter, das direkt auf der Babyhaut lag, bestand aus Kunstseide, der Wäscheschutz war aus einfachen Kunststofffolie. Dazwischen lagen zahlreiche Schichten Krepppapier. Befestigt wurde die Windel anfänglich noch mit Sicherheitsnadeln, die Klebetapes wie wir diese heute kennen, kamen erst viel später zum Einsatz. Das Innenfutter war teilweise vorgefaltet, damit sich die Windel besser an die Beine des Babys anschmiegte.

In Jahre 1968 brachte die Firma Kimberly-Clark eine neue Windel mit der Bezeichnung Kimbies heraus, die anstatt der rechteckigen Form eine besser auf den Körper zugeschnittene Passform hatte. 1976 kam von Procter & Gamble die erste Windel Luvs auf den Markt, die als erste Windel elastische Beinbündchen hatte, welche ein Herauslaufen des Urins verhindern sollten. Was jedoch das Innenleben der Windeln betraf, so entsprach sie immer noch der Grundidee von Mills. Eine aus Papier bestehende Füllung nahm die Flüssigkeit auf, was auch der Knackpunkt an der ganzen Sache war. Sobald das Papier nass wurde, verteilte sich die Flüssigkeit gleichmäßig durch die gesamte Papiermasse, wodurch die Gefahr des Wundreibens erhöht und wenn auf das vollgesogene Papier irgendein Druck ausgeübt wird, sei es durch Drücken oder darauf Sitzen, so gibt es einen Teil der absorbierten Flüssigkeit wieder frei, was zu weiteren Schwierigkeiten führte.

Die Entwickler versuchten lange diesen unerwünschten Effekt zu vermeiden, indem sie statt dem Krepppapier verschiedene andere Papiere verwendeten. Erst als Carlyle Harmon und Billy Gene Harper auf die Idee kamen, das Papier so fein zu zerrupfen, dass nur noch Zellulosefasern übrigblieben, konnten sie eine deutliche Verbesserung der Saugeigenschaften feststellen. Sie nannten den Füllstoff, den sie verwendeten, einfach Fluff. Die dennoch nicht überwundenen Schwächen dieses Füllmaterials kompensierten sie damit, dass sie einfach immer mehr davon in die Höschenwindeln packten. Durch die permanente Erhöhung der Saugfähigkeit wurden aber die Höschenwindeln zunächst auch immer dicker, was den Entwicklern dennoch Kopfzerbrechen bereitete, da es sich negativ auf den Tragekomfort und den Zellstoffbedarf, sowie Packungsgröße und Gewicht der Höschenwindeln auswirkte.

Diese Patente von Carlyle Harmon und Billy Gene Harper waren die eigentliche Geburtsstunde der modernen Höschenwindeln. Es sollte aber noch einige Jahre dauern, bis diese Patente wirklich in den Höschenwindeln ihren Einsatz fanden. Etwa 1987 wurde der Superabsorber bei den Höschenwindeln für Babys eingeführt und einige Jahre später dann auch in den Höschenwindeln für Erwachsene. Das Verblüffende ist, dass trotz der Gewichtsreduktion und der damit verbundenen Verkleinerung der Dicke des Saugmaterials die Höschenwindeln immer saugfähiger wurden. Den Forschern gelang dieser Coup, indem sie neben der Saugfähigkeit des Granulats auch dessen Verteilungseigenschaft für die Flüssigkeit optimierten. Etwa ein Teelöffel voll Superabsorber reichen pro Windel aus, um die schwere „Last“ zu halten und selbst unter Druck fast nicht mehr abzugeben.

Die Höschenwindeln für Erwachsene, oder auch Inkontinenzslips genannt, kamen bei uns erst etwa 1978 auf den Markt, die bei uns unter dem Namen „Moltexal Großanwindel“ vertrieben wurde. Es war im Prinzip eine Betteinlage mit mehreren Flieslagen und einer grauen Folie. Sie war so ähnlich gefaltet, wie die ersten Pampers. Verschlossen wurde sie mit jeweils einem breiten Klebestreifen an jeder Seite. Den Komfort von elastischen Beinabschlüssen gab es damals noch nicht, die Windel war sehr dünn, die Saugkapazität war im Vergleich zu den heutigen Windeln sehr schlecht, auch von Auslaufsicherheit konnte damals noch keine Rede sein.

Die ersten Höschenwindeln für Erwachsene, die einen für damalige Verhältnisse brauchbaren Rücknässeschutz anboten, waren von der Firma Procter & Gamble und wurden unter dem Namen Attends vertrieben. Die Attends hatten innen eine Plastikfolie mit trichterförmigen Löchern, die sich als Rücknässeschutz bei Belastung schlossen. Mit der Weiterentwicklung der Höschenwindeln für Babys wurde auch die Qualität der Erwachsenenwindeln immer besser. Durch die immer besser werdende Saugfähigkeit wurden aber die Höschenwindeln immer dicker, was den Entwicklern doch Kopfzerbrechen bereitete.

Dass Windeln um mehr als die Hälfte dünner und leichter wurden, von über 220 Gramm Anfang der 80er Jahre auf heute nur noch etwa 100 Gramm, ist ein Verdienst der Superabsorber. Etwa 1987 wurde der Superabsorber bei den Höschenwindeln für Babys eingeführt und einige Jahre später dann auch in den Erwachsenenwindeln. Das Verblüffende ist, dass trotz der Gewichtsreduktion die Windel immer saugfähiger wurde. Den Forschern gelang dieser Coup, indem sie neben der Saugfähigkeit des Granulats auch dessen Verteilungseigenschaft für die Flüssigkeit optimierten. Ganze 25 Gramm an Superabsorber reichen pro Windel aus, um die schwere „Last“ zu halten und selbst unter Druck fast nicht mehr abzugeben.

Inspiriert durch die immer mehr auf den Markt drängenden unterschiedlichen Höschenwindeln für Babys, machten auch die Entwicklung bei den Höschenwindeln für Erwachsene weitere Fortschritte. So werden heute eine Vielzahl von unterschiedlichen Inkontinenzprodukten angeboten, passend zur jeweiligen Inkontinenzform und den persönlichen Anforderungen seiner Träger. Der neuste Schrei auf dem Inkontinenzsektor sind die Trainingshosen oder auch „Pants“, „Pullons“ genannt. Auch Produkte mit textilähnlicher Außenfolie drängen immer mehr auf den Markt. Dagegen haben sich die Eigenschaften oder das Aussehen der Vorlagen und Einlagen kaum geändert, mit Ausnahme der Absoptionseigenschaften der Produkte.

Die Anforderungen an gute Produkte steigen immer weiter, so dass sich sogar schon Mathematiker damit beschäftigen und versuchen, die perfekte Windel konstruieren. Windeln enthalten Superabsorber und Zellulose, die so verteilt sein müssen, dass sie die Feuchtigkeit optimal aufsaugen. Wie aber müssen die Absorber verteilt werden, damit die Haut möglichst trocken bleibt? Die Mathematiker verwandelten die Strömungs- und Absorptionsprozesse in mathematische Gleichungen. Im Rechner veränderten sie dann die Verteilung des Granulats so lange, bis sie die optimale Lösung gefunden haben. Mit solchen Fragen beschäftigen sich heute auch Wirtschafts- beziehungsweise Technomathematiker. Auch die Chemiker sind nicht untätig, sie entwickeln immer bessere und noch saugfähigere Superabsorber, damit die Produkte noch mehr an Tragekomfort und Sicherheit bieten. Fast wie in der Automobilindustrie werden die Neuentwicklungen schon am Computer entworfen, Anwendungsverhalten und Trageeigenschaften simuliert, ehe überhaupt ein Prototyp hergestellt wurde. Es ist schon beeindruckend, welcher Aufwand heute getrieben wird, um gute Inkontinenzprodukte zu entwickeln.

Mit der Einführung der Höschenwindeln, die immer stärker den Markt bei der Baby- und Inkontinenzversorgung beherrschten, ging die Entwicklung der Mehrwegprodukte stetig bergab. Zwar sind die heutigen Mehrwegwindeln vom Schnitt her gesehen mit den modernen Höschenwindeln vergleichbar, aber in punkto Saugfähigkeit und Rücknässung können sie nicht mithalten. Das große Manko der Mehrwegprodukte ist das Fehlen des Superabsorbers, der aus den Höschenwindeln nichtmehr wegzudenken ist. Erst in den letzten Jahren angespornt durch das umweltfreundliche Denken einiger Eltern und Anwender der Inkontinenzprodukte wird von den Herstellern zunehmend wieder mehr Energie in die Entwicklung der Mehrwegprodukte gesteckt. So wurde von einem großen Chemieunternehmen eine Kunstfaser im Prototyp entwickelt, welche die Eigenschaften von Polymeren haben und die aufgenommene Flüssigkeit auch sicher speichern können. Die Entwicklung dieser Kunstfasern geht aber eher schleppend voran, da die Nachfrage an solchen Fasern zurzeit noch sehr gering ist.