Volle Windeln stressen die Haut

In der westlichen Welt werden nahezu alle Säuglinge und Kleinkinder in Windeln gewickelt. Die Einwegprodukte werden mitunter aber auch zum unverzichtbaren Begleiter, wenn im Alter Harn- und/oder Stuhlinkontinenz das Leben erschweren. Die Windeldermatitis (Inkontinenz-assoziierte Dermatitis), ist eine verbreitete entzündliche Hautschädigung, die für die Betroffenen mit Schmerz und Leid verbunden ist. Die Deutsche Dermatologischen Gesellschaft (DDG) empfiehlt bei Kindern mit Windeldermatitis ein häufiges Windelwechseln sowie milde Reinigungs- und Pflegemaßnahmen. Inkontinente Erwachsene, die Windeln tragen, profitieren von einer gründlichen pflegerischen Inkontinenzanamnese durch Pflegeprofis.

„Das Trockenwerden bei Kindern braucht seine Zeit. Zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr lernen die meisten Kinder, den Harn und den Darm zu kontrollieren. Bis dahin sind sie Windelträger und Hautprobleme sind keine Seltenheit“, sagt die Kinderdermatologin Prof. Dr. med. Regina Fölster-Holst.

Die sogenannte Windeldermatitis ist eine der häufigsten Hauterkrankungen bei Säuglingen und Kleinkindern. Die Ursache für die Irritation der Hautbarriere liegt im Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Das feuchtwarme Klima, das durch die dicht abschließende Windel entsteht (medizinisch Okklusionseffekt genannt), Druck, Reibung und der Kontakt mit dem Stuhl und dem Urin lassen die oberste Hautschicht (Epidermis) aufquellen. Die Hautbarriere wird durchlässiger und kleine Verletzungen können dazu kommen. Bakterielle Infektionen zum Beispiel durch Staphylococcus aureus und Hefepilze wie Candida albicans können die Folge sein. Bei einer schweren und ausgeprägten Form der Windeldermatitis sind häufig diese Keime beteiligt.
Während bei einer milden Windeldermatitis, von der etwa ein Drittel der Kinder betroffen sind, Rötung und Hautaufweichung im Windelbereich entstehen, deuten bei der schweren Form Knötchen (Papeln) und Eiterblasen (Pusteln) auf geröteter Haut auf eine Superinfektion hin. Starke Schmerzen gehen mit dieser Form der Windeldermatitis einher. Expertinnen und Experten schätzen die Zahl der Betroffenen auf etwa sechs Prozent. Für die Behandlung der Windeldermatitis empfehlen Kinderdermatologinnen und -dermatologen, die okklusiven Bedingungen so häufig wie möglich zu unterbrechen.

„Windelfreie Zeiten tagsüber sind ein erster Schritt. Das Windelwechseln sollte in einem Intervall von zwei bis drei Stunden geschehen. Schutz- und Regenerationspräparate helfen ebenso wie das Reinigen mit Wasser, milden Seifen oder waschaktiven Substanzen“, fasst die Expertin die Empfehlungen zusammen.

Zur Reinigung von Stuhl sind Öle und ölhaltige Einmaltücher gut geeignet. Von einer Pflege der Haut mit Ölen rät Fölster-Holst jedoch ab, da diese zur Austrocknung und Reizung der Haut führen können. Zudem sollten die Feuchttücher keine irritierenden Substanzen wie Alkohol oder sensibilisierende Substanzen (Duftstoffe, Konservierungsstoffe) enthalten.

„Wenn nach einigen Tagen dieser Therapie keine Besserung eintritt, sich das Kind ständig kratzt, in einem anderen Hautareal Hautveränderungen zu sehen sind oder im Wundbereich Eiterbläschen auftreten, sollte eine Dermatologin/ein Dermatologe oder die Kinderärztin/der Kinderarzt aufgesucht werden“, fasst Fölster-Holst zusammen.

Harninkontinenz betrifft in Deutschland jedoch nicht nur die Kleinsten – Menschen aller Altersstufen sind betroffen. Nach Angaben der Stiftung Gesundheitswissen leiden etwa 13 von 100 Erwachsenen an Harninkontinenz, bei den über 60-Jährigen sogar 23 von 100. „Wenn wir über das durch Inkontinenz hervorgerufene Kontaktekzem bei Erwachsenen sprechen, ist es besser, das Wort Windeldermatitis durch Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD) zu ersetzen. Das Windeltragen ist für die Betroffenen auch so schon belastend und zudem schambehaftet, da sollte man zumindest den Begriff ändern“, betont Professor Dr. med. Silke Hofmann, Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Inkontinenz von Urin oder Stuhl betrifft besonders ältere und pflegebedürftige Menschen. Nach einer Studie der Charité Universitätsmedizin Berlin sind über 60 Prozent der zu Hause betreuten Pflegebedürftigen inkontinent.

Die Zahl der inkontinenten Pflegeheim-Bewohnerinnen und -Bewohner ist noch höher. Sie alle haben ein hohes Risiko für eine IAD.

„Um die Inkontinenz-assoziierte Dermatitis gut zu managen und/oder vorzubeugen gibt es im pflegeprofessionellen Bereich zwei Handlungsstränge: die Förderung der Kontinenz und die Kompensation der Inkontinenz“, betont Hofmann, Chefärztin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal.

Am Anfang sollte eine gründliche pflegerische Inkontinenzanamnese stehen, bei der neben den subjektiv empfundenen Belastungen der betroffenen Person Dauer, Ernährungs- und Trinkgewohnheiten sowie Inkontinenzepisoden erfasst werden, die Beschaffenheit des Stuhls und Urins geprüft sowie eine Inspektion der Haut vor allem im Genital- und Analbereich erfolgen sollte. Zum Fördern der Kontinenz gehört – wenn das der Zustand der Person zulässt – auch eine Förderung der Mobilität. Neben Blasen- und Beckenbodentraining können auch praktische Maßnahmen wie die Nähe zu einer Toilette, die Toilettensitzerhöhung, Haltegriffe etc. helfen. Angepasste Kleidung, die auch selbständig schnell und leicht geöffnet werden kann, ist ebenfalls hilfreich. Zu der Kompensation der Inkontinenz gehören Blasenkatheter und Kondomurinal, Analtampons oder Fäkalkollektoren.

„Aus Sicht der möglichen dermatologischen Folgen begrüßen wir die Durchführung von strukturierten Hautpflegeprogrammen. Die Behandlungs- und Pflegeempfehlungen unterscheiden sich nicht von denen, die wir auch für Kinder geben“, ergänzt Fölster-Holst.