Die Sache mit der Saugleistung

Windeln werden nach der Saugleistung klassifiziert. Betroffene orientieren sich meist an dieser, um eine geeignete Windel für sich auszusuchen. Was viele jedoch nicht wissen, dass es sich bei den Angaben der Hersteller lediglich um einen theoretischen ermittelnden Wert handelt. Geläufig sind die Begriffe Rothwell- oder ABL-Test. Das hilft Betroffenen nicht weiter. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Hersteller mit den Angaben zur Saugleistung eher bedeckt halten. Unfälle sind meist unvermeidlich. Wieso das so ist, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Man musste eine Lösung finden, wie man saugende Inkontinenzhilfsmittel wie Windeln, Vorlagen, Pants und Einlagen in Gruppen einordnet. Dazu wurde in Europa die ISO-Saugleistung auch unter dem Namen Rothwell-Test bekannt, eingeführt und standardisiert. Je nach Schweregrad der Inkontinenz (leichte, mittlere, schwere und schwerste) sucht man sich das optimale Hilfsmittel aus. Wobei bei leichter bis mittlere Inkontinenz noch Vorlagen und Pants ausreichen, müssen Betroffene mit schwere und schwerste Inkontinenz sowie Bettnässer auf saugfähige Windeln zurückgreifen. Eine Windel sollte am Tag mindestens 4 Stunden und nachts sogar 8 Stunden ohne auszulaufen halten.

Damit sich Betroffen im Produktdschungel halbwegs zur Recht zu finden, haben Hersteller die Produkte nach Tröpfchen kategorisiert. Bei Produkten von Tena kann zusätzlich auch der Name eventuell hilfreich sein, Plus (6 Tröpfchen) für leichte, Super (7 Tröpfchen) für mittlere, Maxi (8 Tröpfchen) für schwere und Ultima (9 Tröpfchen) für schwerste Inkontinenz. Allerdings ist es nicht ersichtlich wie hoch die Saugleistung eines Produkts tatsächlich ist, weil man Informationen weder auf der Verpackung noch auf der Webseite findet. Für einen führenden Hersteller ist das schon etwas armselig, jedoch kein Einzelfall. Es bleiben niemanden erspart, verschiedene Windeln im Alltag zu testen – quasi unter realen Bedingungen. Wenn man noch kein Blasenprotokoll angelegt hat, beginnt man mit der geringsten Saugstärke. Läuft dieser aus, wechselt man zu nächst höhreren. Wie man die richtige Windel findet, habe ich bereits im Artikel berichtet.

Wir gehen jetzt der Sache nach, wie die Saugleistung einer Windel ermittelt wird. Dabei werden drei Testmethoden angewendet. Bei der Saugleistung nach ISO 11948-1 (Rothwell-Test) wird im Labor die maximale Saugleistung ermittelt. Dazu wird die Saugfläche nach unten in eine Urinersatzlösung getaucht. Nach ca. 30 Minuten wird die Windel auf einen Gitterrost gelegt und lässt diese für ca. 5 Minuten abtropfen. Die volle Windel wird dann gewogen. Das Nassgewicht wird vom Trockengewicht abgezogen. Der ermittelnde Wert ist die maximale Saugleistung einer Windel. Großer Nachteil bei dieser Testmethode ist jedoch, dass sich die Flüssigkeit gleichmäßig verteilt, was in der Praxis nicht möglich ist.

Die Messmethode Absorption Before Leakage (ABL) wird zwar auch im Labor durchgeführt, ist jedoch etwas aufwendiger und kommt der tatsächlichen Saugleistung einer Windel schon relativ nahe. Der Praxiswert kann dennoch abweichen. Mit Hilfe eines speziellen Torsos mit künstlicher Harnröhre wird eine inkontinente Person simuliert. Die Anlage dosiert in zeitlichen Abständen die Abgabe bestimmter Flüssigkeitsmenge über den Torso in die Windel. Die Messung wird in drei Positionen durchgeführt in Rückenlage (90 Grad), in Seitenlage (30 Grad) und im Sitzen. Sobald ein Auslaufen der Windel festgestellt wird, wird die Messung gestoppt. Eine spezielle Software ermittelt nun die Saugleistung der Windel. Wie beim ISO-Testverfahren, kommt auch beim ABL-Test eine Urinersatzlösung zum Einsatz. Inkontinenz-Patienten sollten sich schon eher an der ABL-Saugleistung orientieren. Aber auch diese findet man außer in unserem Windelverzeichnis fast nirgendwo, das die Produktsuche erschwert.

Um einen Praxistest der unter realen Bedingungen durchgeführt wird, wird man wahrscheinlich nicht Drumherum kommen. Während des Windeltest soll man auf
harnfördernde Getränke und Lebensmittel gänzlich verzichten, um das Testergebnis nicht zur verfälschen. Grade Getränke mit Alkohol und Koffein, beanspruchen die Blase oft sehr. Die Saugleistung wird dadurch schneller erreicht und führt zum Auslaufen. Die tatsächliche Saugleistung in der Praxis wird im Liegen bei etwa 50 – 60 Prozent und etwa 30 – 40 Prozent im Sitzen betragen. Nach Gebrauch wird die volle Windel gewogen. Nicht vergessen das Nassgewicht muss später vom Trockengewicht abgezogen werden. Gramm ist gleich Milliliter.

Wie viel eine Windel in der Praxis aufnimmt, hängt von vielen Faktoren ab. Zu den wichtigsten Faktoren ist natürlich die eigentliche Saugvorlage. Diese besteht u.a. aus einer Mischung aus Baumwolle, Stofffasern, synthetische Polymere, Zelluloseflocken und Superabsorbent Polymers – kurz SAP. Je höher der Anteil von SAP ist, desto mehr kann die Windel an Urin aufnehmen. Superabsorber ist in der Lage Flüssigkeit in Gel umzuwandeln. Bei der Aufnahme der Flüssigkeit quillt der Superabsorber auf und bildet ein Hydrogel. Windeln mit hohen Anteil sind meist für Bettnässer und immobilen Patienten entwickelt. Die Hilfsmittel sind meist relativ dick und können unter Kleidung mehr auftragen. Der krasse Gegensatz zu Premiumprodukten – sind Kassenwindeln. Die Hilfsmittel werden zwar von der Krankenkasse ohne Zuzahlung übernommen, verfügen jedoch aus Kostengründen über wenig SAP oder es wird ganz darauf verzeichnet. Bei einer schwallartigen Blasenentleerung führt dies meist zu einer Katastrophe.