Ältere und pflegebedürftige Menschen sind besonders oft von Inkontinenz betroffen. Das bedeutet, sie können die Ausscheidung von Urin oder Stuhl zumindest teilweise nicht kontrollieren. Über 60 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland, die von einem Pflegedienst versorgt werden, müssen mit einer Harninkontinenz umgehen – also etwa 400.000 Menschen. Dies zeigt eine wissenschaftliche Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) und der Charité Universitätsmedizin Berlin. Bei Bewohnern in Pflegeheimen ist der Anteil noch höher.
Inkontinenz kann nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Viele Menschen mit Blasen- oder Darmschwäche vermeiden aus Scham oder Unsicherheit, aus dem Haus zu gehen. Dann drohen soziale Isolation und Einsamkeit. „Damit Hilfe möglich wird, muss das Tabu gebrochen und mehr über Inkontinenz gesprochen werden“, sagt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP und Mitautor der Studie. Er rät zudem, unbedingt fachlichen Rat bei einem Arzt, einer Pflegekraft oder einem Kontinenzberater einzuholen. „Denn der richtige Umgang mit Blasen- und Darmschwäche ist wichtig. Dadurch können viele gesundheitliche, aber auch seelische Probleme gelindert oder sogar ganz vermieden werden. Die Lebensqualität kann so erheblich verbessert werden“, so Suhr weiter.
In der Pflege spielt Inkontinenz eine besonders gravierende Rolle, weil diese meist mit anderen Einschränkungen zusammenkommt. Der Versorgungsaufwand kann so groß werden, dass die häusliche Pflege nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Denn auch für Angehörige ist es eine enorme Herausforderung, Menschen mit Inkontinenz gut zu helfen. Daher hat das ZQP einen kostenlosen Ratgeber für pflegende Angehörige mit praktischen Hinweisen und aktuellem Basiswissen zum Thema Harn- und Stuhlinkontinenz entwickelt. Dieser gibt auf 24 Seiten einen Überblick, welche Behandlungsansätze es gibt, welche Hilfsmittel den Alltag erleichtern und wie diese richtig verwendet werden. Darüber hinaus bietet das Heft viele Tipps, welche Anpassungen in der Wohnung den Alltag für Menschen mit Inkontinenz einfacher machen können.
Für Menschen mit Demenz ist es zum Beispiel wichtig, ihnen die Orientierung zu erleichtern. Dazu kann die Toilettentür mit großen Symbolen, Bildern und Schriftzügen gekennzeichnet werden. Manchmal hilft auch ein farbiger Toilettensitz, der sich deutlich vom Rest des WCs abhebt.
Außerdem gibt der ZQP-Ratgeber viele Hinweise, wie man das Selbstwertgefühl Betroffener stärkt, ihre Selbstständigkeit erhält und sie bei Aktivitäten unterstützt. Darüber hinaus erhalten Pflegende Anregungen dazu, wie sie mit ihren eigenen Gefühlen umgehen können. Denn es kann peinlich sein und überfordern, wenn man auf einmal in die intimsten Bereiche nahestehender Menschen einbezogen wird.
„Für pflegende Angehörige ist das Thema Inkontinenz meist stark schambesetzt und belastend. Kaum jemand ist darauf vorbereitet, sich mit den Ausscheidungen seiner Partner oder Eltern auseinanderzusetzen. Deswegen sollte man Beratung von Fachleuten suchen und dann seine eigenen Grenzen bestimmen“, schlägt Suhr vor. Wo man Beratung und Unterstützung findet und wann fachlicher Rat besonders wichtig ist, wird ebenfalls in der Broschüre beschrieben.
Der Ratgeber ist Teil einer Reihe, die Angehörigen fundierte, alltagstaugliche Tipps für die häusliche Pflege an die Hand gibt. Die Druckausgaben können kostenlos über die Webseite des ZQP bestellt und als vollständige PDF-Datei direkt heruntergeladen werden: www.zqp.de/bestellen.
Unterstützt wurde die Erstellung des Ratgebers von Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Klinik für Urologie des evangelischen Krankenhauses Witten und Professor für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke.