Wenn Inkontinenz im Kindesalter psychische Ursachen hat

Viele Dinge, die wir im Erwachsenenalter als selbstverständlich betrachten, sind das Ergebnis eines Lernprozesses während der Kindheit. Erlernt werden nicht nur Lesen, Schreiben und Sprechen, sondern auch alltägliche Handlungen und Abläufe im Rahmen der sogenannten sozialen Kompetenz. Ein Beispiel ist der Toilettengang. Doch es gibt Ausnahmen.
Kinder sind in den meisten Fällen mit vier Jahren sauber. Das bedeutet, sie können ihren Stuhlgang kontrollieren und wissen, an welchem Ort das geschehen sollte. Einige wenige Kinder leiden jedoch nach der beschriebenen Altersgrenze an Enkopresis. Darunter versteht man ein Einkoten ab einem Alter von vier Jahren an ungeeigneten Stellen und zu unpassenden Zeiten. Die Darmentleerung kann dabei willkürlich oder unwillkürlich erfolgen. Das Krankheitsbild ist in seiner Klassifikation genau beschrieben: Das Einkoten muss mindestens einmal pro Monat auftreten und für eine Dauer von drei bis sechs Monaten bestehen.
Erkennen mittels Differentialdiagnostik
Betroffen sind häufiger Jungen als Mädchen. Untersuchungen haben ergeben, dass zwei bis drei Prozent der Vierjährigen, bis zu drei Prozent der Siebenjährigen und etwa ein Prozent der 13-Jährigen an Enkopresis leiden. Eine Enkopresis kann, muss aber nicht, mit einer Verstopfung (Obstipation) einhergehen.
Es ist wichtig, zwischen der Enkopresis und einer Stuhlinkontinenz zu unterscheiden. Dabei hilft die Differentialdiagnostik. Der Kinder- und Jugendarzt wird zunächst eine organische Ursache, wie beispielsweise eine Darmerkrankung, eine Spina bifida, oder einen Morbus Hirschsprung, ausschließen. Geht die Enkopresis mit Verstopfung einher, ist die Erkrankung häufig genetisch bedingt. In anderen Fällen kann es zu einem fehlerhaften Arbeiten des Schließmuskels kommen. Bei Kindern, die neben dem Einkoten auch einnässen, liegen Enddarm und Blasenhinterwand zu dicht beieinander.
In allen diesen Fällen kann es zu einer krankheitsbedingten Inkontinenz kommen. Auch die Enkopresis beschreibt eine Stuhlinkontinenz – mit einem Unterschied: Die Entstehung lässt sich nicht auf eine einzelne, klar beschriebene Erkrankung zurückführen.
Funktionelles Leiden
Die neue Klassifikation der pädiatrischen Gastroenterologie bezeichnet die Enkopresis auch als „funktionelle Stuhlinkontinenz“. Ein klarer Hinweis darauf, wie es zu einer Enkopresis kommen kann: Der Begriff „funktionell“ bedeutet, dass es sich um das Symptom einer tieferliegenden, vielfältigen Problematik handelt, bei der psychische und somatische Faktoren interagieren. Betroffen ist also der Organismus in seiner Gesamtheit. Vor allem aber liegt ein Großteil der Ursachen oftmals versteckt unter der Oberfläche.
Tatsächlich leiden 30 bis 50 Prozent von Kindern mit Enkopresis unter seelischen Problemen. Viele haben generalisierte oder spezifische Ängste, Konzentrationsschwächen oder Aufmerksamkeitsmangel. Sie sind depressiv, hyperaktiv, oder besitzen eine nur geringe Toleranz, mit Enttäuschungen klarzukommen. Andere beginnen mit dem Einkoten nach Veränderungen, die sie seelisch belasten, wie zum Beispiel einem Umzug, einem Schulwechsel, oder aber aufgrund der Trennung der Eltern.
Zu den genannten, eine Enkopresis auslösenden, psychischen Faktoren, kommen weitere, das Problem verstärkende, hinzu. Je älter das Kind wird, desto peinlicher ist die Situation. In der Folge isolieren sich Betroffene immer stärker aus ihrem sozialen Umfeld, meiden Freunde, Geburtstage und Spieltreffs und gehen ungern zur Schule. Darüber hinaus reagieren Eltern unsicher, sind mit dem Problem überfordert. All das belastet nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung, sondern auch das Selbstbewusstsein des Kindes.
Therapie der psychogenen Enkopresis
Die Behandlung einer psychogenen Enkopresis umfasst Aufklärung, Ursachenforschung im Rahmen einer Psychotherapie und die Vermittlung sogenannter realer Vorstellungen. Eine begleitende, medikamentöse Therapie sollte vor allem bei Kindern mit Verstopfung erfolgen.
Gemeinsam mit den Kindern kann ein Toilettenplan erstellt werden. Dabei ist die Toilettenzeit auf zehn Minuten begrenzt, beispielsweise durch einen Wecker. Kommt es zum Stuhlgang, wird das in einem Plan vermerkt und anschließend von den Eltern positiv bestärkt, beispielsweise durch Lob oder auch kleine Zuwendungen. Gleichfalls sollte allerdings auch ein Einkoten im Plan notiert werden. Ebenfalls wichtig ist, den Toilettengang positiv zu gestalten, beispielsweise durch Comics oder Spiele am Smartphone.
Die Suche nach den eigentlichen Ursachen erfolgt im Rahmen einer Gesprächs- oder Verhaltenstherapie. Auch die Hypnosetherapie hat sich bewährt, werden durch sie auch und gerade versteckte Energien geweckt, die Betroffene aktiv das Problem angehen lassen und eine neue Sichtweise auf Dinge gewährt.
Gerade bei Kindern ist es wichtig, dabei überaus behutsam vorzugehen. Bewährt haben sich spielerisch-kreative Methoden, die den individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Eltern und/oder Bezugspersonen werden in die Behandlung miteinbezogen. Denn nicht nur das Problem belastet die gesamte familiäre Struktur, auch die unterstützende Hilfe muss im vertrauten Kreis erfolgen. Falls nötig, wird die Therapie mit dem sozialen Umfeld, wie Kindergarten, Schule, Ergotherapeut oder Kinderarzt, vernetzt.
Die psychotherapeutische Behandlung einer Enkopresis ist wichtig bei:
• Ängsten
• unsicherem Verhalten
• mangelndem Selbstbewusstsein
• Konflikten innerhalb der Familie und/oder der Schule
• Familiären Problemen, wie Trennung, Scheidung, Krankheiten oder Todesfällen
ADHS
• Depressionen
• Selbstverletzungen
• Essstörungen