In Kinderkrankenstationen in deutschen Kliniken besteht aktuell ein akuter Bettenmangel, der zu 70 Prozent aufgrund von Personalmangel ausgelöst wird: Das ist das Ergebnis einer Befragung unter 130 Einrichtungen, deren Ergebnis die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) nun veröffentlichte. Den Vorschlag des Bundesgesundheitsministers Dr. Karl Lauterbach, den Engpässen in den betroffenen Kinderkliniken durch die Verlegung von Personal regulärer Erwachsenenstationen entgegenzuwirken, stößt bei Gesundheitsökonom Prof. Thomas Busse auf Unverständnis.
„Eine solche Entscheidung zeugt von einer vollkommenen Verkennung der Lage. Zielführender wäre es, Überlegungen anzustellen, wie Arbeitsplätze in der Pflege kurzfristig attraktiver gestaltet werden können. Dies wäre beispielsweise durch eine Steuerbefreiung für Nachtdienste oder Entbürokratisierung der Arbeitsanforderungen möglich“, so Busse, Professor für Pflegemanagement und Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).
„Die Äußerungen unseres Gesundheitsministers suggerieren, dass die Politik Einfluss auf die Einsatzplanung von Pflegekräften in den rund 1.500 Akut-Krankenhäusern in Deutschland nehmen könnte, was nicht der Fall ist“, kritisiert Busse.
Die konkrete Einsatzplanung von Pflegepersonal sei originäre Aufgabe eines jeden Krankenhauses und könne nicht politisch beeinflusst werden.
„Gleichzeitig impliziert die Aussage, dass Erwachsenenstationen aktuell ausreichend Personalkapazitäten und das spezifische Qualifikationsniveau aufweisen würden, um spontan auf einer Kinderstation eingesetzt werden zu können“, so Busse weiter.
Dies zeige wenig Wertschätzung gegenüber dem Pflegeberuf, den auf die jeweilige Station angepassten Qualifikationen sowie den Pflegerinnen und Pflegern, die sich tagtäglich dafür einsetzen, das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten.
„Es ist höchste Zeit, dass der Pflegeberuf endlich den Stellenwert erhält, den er verdient. Dies ist allerdings ein langer Weg, denn da geht es nicht nur um Gehälter, sondern um ein generelles Umdenken im Hinblick auf Strukturen und Prozesse, in denen sich Pflege heute bewegt.“
Wenn die Politik fortfahre, das Thema Pflege auf einem solchen Niveau zu bearbeiten, sehe der Gesundheitsökonom „schwarz für diese Berufsgruppe und für die dringend notwendigen Veränderungsanforderungen gerade im Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung des Pflegeberufes.“