Inkontinenz betrifft jeden zehnten Deutschen – von Kindern über Frauen nach Schwangerschaft bis zu Männern mit Prostatakrebs. Patienten mit Inkontinenz sind für die Teilnahme am Alltag häufig auf Hilfsmittel wie Windeln angewiesen. Bei einigen Krankenkassen erhalten die Patienten eine unzureichende Versorgung, wobei der Schweregrad der Inkontinenz nicht berücksichtigt wird.
Nach WHO ist Inkontinenz eine anerkannte Krankheit und tritt als Folge von verschiedenen Grunderkrankungen auf. Die Inkontinenzversorgung fällt daher in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen. Die Betroffenen haben gegenüber ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf eine adäquate medizinisch notwendige Versorgung mit Inkontinenzhilfen.
Die Vertrags- und Preispolitik einzelner Kassen lässt in den letzten Jahren erkennen, dass einige Kostenträger nur noch bereit sind, für ihre Versicherten eine auf das Mindeste beschränkte Inkontinenzversorgung bereitzustellen. Benötigen die Patienten wegen ihrer individuellen Lebensumstände oder ihrer Pflegebedürftigkeit eine andere Versorgung, so müssen sie dies aus eigener Tasche zuzahlen. Laut Recherche des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ (Ausgabe 11) liegt der Beitragssatz bei der DAK bei knapp 13 Euro. Bei der IKK Classic erhält man 29 Euro netto pro Monat.
Auch die Bezugsquelle ist nicht frei wählbar. Das man sein Rezept in der nächsten Apotheke oder Sanitätshaus einlösen kann, gehört schon seit mehreren Jahren der Vergangenheit an. Krankenkassen arbeiten meist mit sogenannten Homecare-Anbietern zusammen, diese liefern nach Rahmvertrag die Hilfsmittel zwar direkt nach Hause, jedoch sind diese mit der Produktauswahl meist auf einen Hersteller beschränkt. Führende Hersteller wie Tena und Attends bieten Inkontinenzprodukte in Drogerie- und Supermärkten an. Auch günstige Eigenmarken von DM und Rossmann werden seit Jahren angeboten. Aldi Nord zog seit einigen Wochen mit eigenen Pants nach.
Unter dem Titel „Bedarfsgerechte Versorgung mit Inkontinenzhilfen ohne Aufzahlung sicherstellen!“ hat der Selbsthilfeverband Inkontinenz eine Online-Petition für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Inkontinenzhilfen gestartet. Der Patientenbeauftragten der Bundesregierung Karl-Josef Laumann, die Deutsche Kontinenz Gesellschaft, Inkontinenz-Fachbereich des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed), der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik und ich unterstützen die Online-Petition.
In der Begründung steht, dass viele Betroffene heute nicht mehr in ausreichender Menge und Qualität versorgt werden. Sie müssen vielmehr aus eigener Tasche aufzahlen, um weiterhin die Inkontinenzhilfen zu erhalten, die sie benötigen und gewohnt sind. Als Folge einer unzureichenden Versorgung nässen sich die Patienten unnötig ein. „Dadurch steigt das Risiko von Infektionskrankheiten sowie von Druckstellen und Druckgeschwüren. Die sozialen Auswirkungen sind ebenso gravierend: Menschen mit Inkontinenz genieren sich und können am sozialen Leben nicht mehr teilnehmen. Ihre Lebensqualität wird massiv beeinträchtigt“.
Dazu sollen Krankenkassen Verträge schließen, die Patienten ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Anbietern und Produkten ermöglichen, und Ausschreibungsverfahren für Inkontinenzhilfen so angepasst werden, dass der Schweregrad der Inkontinenz bei der Ausschreibung berücksichtigt wird.
Die Website www.aktion-inkontinenzhilfe.de informiert ausführlich über die Versorgungsqualität bei Inkontinenz. Bis zum 11. Juni 2015 müssen mindestens 50.000 Menschen die Petition unterschrieben haben, dann wird diese an den Patientenbeauftragten der Bundesregierung Karl-Josef Laumann überreicht.