Rheuma und Lunge: Aktuelle Forschung zu interstitiellen Lungenerkrankungen

Die Angriffe des eigenen Immunsystems, die für entzündlich-rheumatische Erkrankungen typisch sind, können viele Organe und Gewebe im ganzen Körper betreffen. Besonders häufig ist die Lunge in das Entzündungsgeschehen eingebunden. Dann kommt es zu einer so genannten interstitiellen Lungenerkrankung, in deren Verlauf das Lungengewebe zunehmend vernarben und an Funktion verlieren kann. Welche Fortschritte es in der Diagnose und Therapie dieser für die Patient/innen sehr belastenden und mit einer erhöhten Sterblichkeit verbundenen Erkrankung gibt, wird ein Thema auf dem Deutschen Rheumatologiekongress 2022 sein.

Das Risiko dafür, dass das Krankheitsgeschehen auf die Lunge übergreift, ist nicht bei allen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gleich hoch. Besonders häufig tritt die kurz als ILD bezeichnete interstitielle Lungenerkrankung bei der systemischen Sklerose, der rheumatoiden Arthritis (Gelenkrheuma), dem Sjögren-Syndrom und den hauptsächlich die Muskeln betreffenden Myositiden auf.

„Genaue Angaben zur Häufigkeit der ILD sind jedoch schwierig“, sagt Professor Dr. med. Andreas Krause, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und Kongresspräsident.

Nicht alle Patientinnen würden konsequent auf einen möglichen Lungenbefall hin untersucht, zudem sei der Übergang zwischen gering ausgeprägten, eher harmlosen Lungenbefunden und einer klinisch bedeutsamen ILD fließend.
Mittlerweile sind jedoch einige Risikofaktoren bekannt, die eine Lungenbeteiligung bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen besonders wahrscheinlich machen. Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) etwa sind fast ausschließlich Patientinnen und Patienten betroffen, bei denen sich der so genannte Rheumafaktor und bestimmte als ACPA bezeichnete Antikörper im Blut finden. Auch entwickeln männliche RA-Patienten häufiger eine ILD als Frauen, Raucher häufiger als Nichtraucher.

„Darüber hinaus wurde vor Kurzem ein genetischer Risikofaktor für eine Lungenbeteiligung bei der RA entdeckt“, berichtet Krause.

Während das durchschnittliche ILD-Risiko bei 5 bis 10 Prozent liege, seien Männer mit dieser genetischen Besonderheit zu fast 20 Prozent betroffen. Bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, etwa der systemischen Sklerose und bestimmten Muskelentzündungen, liegt der Anteil der Betroffenen zum Teil noch deutlich darüber – je nach Verlaufsform der Grunderkrankung und Art der verursachenden Autoantikörper entwickeln zwischen 30 und 70 Prozent der Patientinnen und Patienten eine Lungenbeteiligung. Für die Therapie der rheumabedingten ILD steht mittlerweile eine Reihe von gut wirksamen Medikamenten zur Verfügung, die die überschießende Immunaktivität bremsen und so das Lungengewebe schützen.

„Allerdings ist die wissenschaftliche Evidenz für ihren Einsatz weiterhin gering“, sagt Krause – sie beruhe im Wesentlichen auf Registerdaten, Fallserien und Einzelberichten. Kontrollierte Studien seien nach wie vor rar und würden dringend benötigt.

Neben der Immunsuppression gewinnt ein weiteres Wirkprinzip bei der Behandlung der ILD an Bedeutung: So genannte Antifibrotika sollen die entzündungsbedingte Umwandlung von funktionellem Lungengewebe in Narbengewebe unterbinden und so das Voran-schreiten der Lungenfibrose zumindest verlangsamen. Erste Studien zeigen, dass ILD-Patientinnen und -Patienten mit unterschiedlichen rheumatischen Grunderkrankungen davon profitieren, insbesondere wenn die immunsuppressive Therapie von einer Behandlung mit Antifibrotika flankiert wird. Voraussetzung dafür, die ILD effektiv therapieren und die Lungenfunktion bestmöglich erhalten zu können, ist jedoch eine frühe Diagnosestellung.

„Die Herausforderung besteht hier darin, dass eine ILD zu jedem Zeitpunkt der rheumatischen Erkrankung neu entstehen kann“, sagt Kongresspräsident Krause.

Manchmal sei dies sogar noch vor der Rheumadiagnose selbst der Fall. Bei jeder neu diagnostizierten ILD solle daher auf eine möglicherweise zugrundeliegende rheumatische Erkrankung geachtet werden. Umgekehrt sollten alle Rheumapatient/innen auf eine mögliche ILD hin untersucht werden. Dabei müssen mindestens die Lunge abgehört und mögliche Symptome wie Husten oder Luftnot abgefragt werden. Goldstandard für die Diagnose der ILD ist jedoch die Dünnschicht-Volumen-Computertomographie. Empfehlungen dazu, welche Methode unter welchen Voraussetzungen und in welchen Abständen eingesetzt werden sollte, werden derzeit in einer interdisziplinären Leitlinie ausgearbeitet.

Ohnehin sind Diagnose und Therapie der rheumabedingten ILD von Anfang an eine interdisziplinäre Aufgabe, betont Krause.

„Schon bei Verdacht auf eine ILD – und erst recht beim Nachweis der Erkrankung – sollten das diagnostische Vorgehen, die erhobenen Befunde und die Therapie in interdisziplinären Konferenzen unter Beteiligung von Fachärzte/innen aus der Rheumatologie, Pulmonologie, Radiologie und Pathologie besprochen werden.“

Auf der hybriden Kongress-Pressekonferenz am 1. September wird auch Thema sein, inwieweit Rheuma seinen Ursprung in der Lunge haben kann – etwa bedingt durch Luftverschmutzung.