Eine Metastasierung muss bei Krebs heute keinesfalls bedeuten, dass keine Heilung mehr möglich ist. So werden immer mehr Tumorarten mit sogenannter Oligometastasierung (bis zu fünf einzelne Metastasen) erfolgreich mit modernen Bestrahlungstechniken behandelt, wodurch sich die Metastasen zurückbilden oder zumindest zum Stillstand gebracht werden können. Bei vielen Tumorarten können durch die Radiotherapie sehr gute Therapieergebnisse erreicht werden, bei einigen scheint das Vorgehen allerdings weniger zielführend zu sein.
Früher galten metastasierte Krebserkrankungen praktisch immer als Todesurteil. Heute weiß man jedoch, dass Metastasierung nicht immer mit einer infausten Prognose verbunden ist. So können lokoregional begrenzte Tumoren mit Lymphknotenmetastasen durch die moderne Medizin mit dem Ziel der Heilung behandelt werden (z. B. durch Operation und Bestrahlung). Bei tumorfernen Metastasen wird dagegen oft systemisch behandelt (z. B. mit Chemotherapie oder anderen modernen Medikamenten). Liegen viele solcher Fernmetastasen vor, ist eine Heilung in der Regel nicht mehr möglich.
In bestimmten Situationen jedoch weisen Tumoren aufgrund ihrer speziellen Biologie nur einzelne Fernmetastasen auf („Oligometastasen“). In diesen Fällen, wenn bis zu fünf Einzelmetastasen vorliegen, kann eine Strahlentherapie kurativ, mit dem Ziel der Heilung oder der längerfristigen Kontrolle der Erkrankung, eingesetzt werden. Mit Hochpräzisionstechniken werden dann sehr hohe Strahlendosen konzentriert auf die Metastasen appliziert, bei der stereotaktischen Strahlentherapie werden die Metastasen dreidimensional von allen Seiten bestrahlt, sodass sich die Strahlen zielgenau in der Metastase aufaddieren und das umliegende Gewebe geschont wird. Diese „messerscharfe“ Technik wird oft auch als Strahlenchirurgie bezeichnet. So können mit einer einzigen oder wenigen Bestrahlungssitzungen (Fraktionierungen) hohe Raten einer lokalen Tumorkontrolle erreicht werden – das bestätigt eine Metaanalyse von Studien bei verschiedenen Primärtumoren (u. a. von Lunge, Haut, Darm oder Prostata) und vereinzelten Metastasen in der Wirbelsäule: Die stereotaktische Einzeitbestrahlung führte zu einer besseren Lokalkontrolle mit einem Vorteil von etwa 5 % pro 10 Gy Dosisanstieg gegenüber einer Mehrfachfraktionierung.
Auch Studien zu einzelnen Tumorarten zeigen gute Ergebnisse. So ist seit Längerem bekannt, dass die stereotaktische ablative Strahlentherapie (SABR) von Oligometastasen der Lunge ähnliche Ergebnisse erzielt wie die operative Entfernung der einzelnen Metastasen. In einer klinischen Studie der Universität Groningen in den Niederlanden wurde Patientinnen und Patienten als erste Wahl die chirurgische Entfernung angeboten, bestrahlt wurde nur bei Inoperabilität oder wenn Betroffene eine OP ablehnten. Obwohl es sich um eine „Strahlentherapie der zweiten Wahl“ handelte, war das Gesamtüberleben nach der Bestrahlung nicht signifikant schlechter als nach chirurgischer Entfernung der Metastasen (1-, 3- und 5-Jahres-Überleben nach OP 87 %, 62 % und 41 % sowie 98 %, 60 % und 49 % nach der Strahlentherapie). Die lokale Tumorkontrolle betrug bei der Strahlentherapie nach zwei Jahren 94 % und 90 % beim chirurgischen Vorgehen.
Dennoch müssen verschiedene Tumorentitäten differenziert betrachtet werden. Die Bestrahlungsergebnisse von Oligometastasen bei verschiedenen zugrunde liegenden Primärtumoren fallen durchaus unterschiedlich aus: So zeigte eine aktuelle randomisierte Phase-II-Studie bei Speiseröhrenkrebs (Ösophagus-Karzinom) signifikante Vorteile für das progressionsfreie Überleben bei lokaler Bestrahlung von Oligometastasen zusätzlich zur systemischen Behandlung: Das mittlere progressionsfreie Überleben betrug 15,3 Monate bei zusätzlicher Bestrahlung gegenüber 6,4 Monaten ohne Bestrahlung (HR 0,26; p < 0,0001). Eine weitere aktuelle Publikation [4] berichtet über Ergebnisse der Metastasenbestrahlung bei Mammakarzinomen und bei nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen. Bei Letzteren konnte ein besseres progressionsfreies Überleben durch die Bestrahlung von Oligometastasen gezeigt werden: Das mittlere progressionsfreie Überleben verlängerte sich von 2,2 Monaten unter systemischer Standardtherapie auf 10 Monate in der Gruppe, die zusätzlich eine Strahlentherapie erhalten hatte (HR 0,41; p = 0,0039). In der Studie ergab sich dagegen kein Vorteil der zusätzlichen Metastasenbestrahlung bei oligometastasiertem Mammakarzinom (progressionsfreies Überleben 4,4 Monate vs. 4,2 Monate; p = 0,43).
„Das Ansprechen der Metastasen auf die Strahlentherapie ist also abhängig von der Tumorentität oder auch von bisher noch nicht genügend bekannten Subgruppen von Patientinnen und Patienten mit bestimmten Tumormerkmalen. Gründe dafür können die unterschiedliche Strahlensensitivität wie auch das unterschiedliche biologische Metastasierungspotenzial des Tumors sein. Dies muss in weiteren Studien noch geklärt werden“, erklärt DEGRO-Präsidentin Prof. Mechthild Krause, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.
Gute Ergebnisse gab es auch bei der Bestrahlung von Oligometastasen bei Prostatakrebs. Hier kann die Bestrahlung helfen, den Beginn der Hormontherapie, die nur über einen gewissen Zeitraum wirksam ist, hinauszuzögern. Dies zeigte die prospektive klinische Phase-II-Studie aus Deutschland OLI-P („Effectiveness and Toxicity of Percutaneous High-dose Radiotherapy in Patients with OLIgometastases of Prostate Carcinoma“), die an zwei Zentren (Dresden und Tübingen) durchgeführt wurde und die lokale Kontrolle bzw. das Muster der Tumorprogression nach ablativer Radiotherapie untersuchte. Eingeschlossen waren 63 Prostatakrebs-Patienten mit durchschnittlich ein bis zwei Metastasen in Lymphknoten oder Knochen, die noch keine Hormonentzugstherapie erhielten. Es kamen zwei Bestrahlungsschemata zum Einsatz (25×2 Gy bei 34 MET und 3×10 Gy bei 55 MET). Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 40,7 Monate. Nach drei Jahren lag die lokale Kontrollrate bei beiden Bestrahlungsformen bei exzellenten 93,5 Prozent. Insgesamt kam es durch die Bestrahlung zu einem durchschnittlichen Zeitgewinn von über einem Jahr, bis eine systemische antihormonelle Dauertherapie notwendig wurde. Weitere Metastasen traten im Mittel erst 1,5 Jahre nach Bestrahlung der Oligometastasen auf. Über 20 Prozent der Patienten blieben sogar über drei Jahre progressionsfrei. Das waren vor allem jene mit Metastasen in den Wirbelkörpern, während die Therapie bei Metastasen in den Beckenknochen und bei größeren Metastasen weniger gut ansprach.
„Eine Strahlentherapie kann bei oligometastasiertem Prostatakarzinom eine Option sein, zusätzlich zur Standardbehandlung die Erkrankung zum Stillstand zu bringen und den Zeitpunkt für den Beginn der Hormontherapie hinauszuzögern. Das hat insofern eine große Bedeutung, da sich die Hormontherapie bei Prostatakrebs nach Jahren erschöpft und ab einem gewissen Punkt nicht mehr zur Tumorkontrolle beitragen kann. Je später man mit der Hormontherapie beginnen kann, desto mehr Lebenszeitgewinn bedeutet das für den Patienten“, erklärt die Expertin.