Freie Ärzteschaft sieht Sicherheitsbedenken bei elektronischen Patientenakte

Seit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) im Jahr 2021 für gesetzlich Versicherte in Deutschland hat sich eine kontroverse Debatte um Datenschutz, ärztliche Schweigepflicht und die Verwaltung sensibler Gesundheitsdaten entfaltet. Die Freie Ärzteschaft (FÄ), eine Vereinigung von Medizinern, die sich für den Erhalt der ärztlichen Unabhängigkeit und für den Schutz der Patientenrechte einsetzt, steht an vorderster Front dieser Diskussion. Sie argumentiert vehement gegen die Art und Weise, wie die ePA implementiert wird, und wirft der Politik sowie den Interessen der Gesundheitswirtschaft und der IT-Industrie vor, kommerzielle Interessen über das Wohl der Patienten zu stellen.

Zentraler Kritikpunkt der FÄ ist die Speicherung der Patientendaten in zentralen Clouds, die von IT-Firmen verwaltet werden, statt in den vertrauten Händen der behandelnden Ärzte oder der Patienten selbst. Dieser Schritt entfernt die Daten aus dem unmittelbaren Einflussbereich der medizinischen Einrichtungen, die sie erheben, und birgt das Risiko, dass die strengen Anforderungen an den Datenschutz und die ärztliche Schweigepflicht nicht ausreichend gewahrt werden. Trotz der Möglichkeit für Versicherte, sich freiwillig für die Nutzung der ePA zu entscheiden, haben bislang weniger als ein Prozent der Bürgerinnen und Bürger von dieser Option Gebrauch gemacht – ein Umstand, der die Skepsis der Bevölkerung gegenüber dem Nutzen und der Sicherheit der ePA deutlich macht.

Angesichts dieser Zurückhaltung plant das Bundesgesundheitsministerium eine signifikante Änderung der Teilnahmebedingungen: Statt einer aktiven Anmeldung (Opt-In) soll künftig eine Widerspruchslösung (Opt-Out) gelten, die eine Teilnahme an der ePA ohne ausdrücklichen Widerspruch der Versicherten vorsieht. Ab 2025 wird die Nutzung der ePA damit praktisch verpflichtend. Diese Entwicklung wird von Wieland Dietrich, dem ersten Vorsitzenden der Freien Ärzteschaft, scharf kritisiert. Er sieht darin einen Eingriff in die Freiheitsrechte der Patienten und eine Bevorzugung wirtschaftlicher Interessen auf Kosten der individuellen Datenschutzrechte.

Die Ablehnung der ePA beschränkt sich nicht nur auf die FÄ. Ein breites Bündnis von Akteuren im Gesundheitswesen, darunter Ärzteverbände, Apotheker, Zahnärzte und Kliniken, hat sich gegen die aktuelle Ausgestaltung der ePA ausgesprochen. In einer gemeinsamen Stellungnahme weisen sie auf gravierende Mängel hin, wie die fehlende Möglichkeit einer Volltextsuche innerhalb der Akten und das Fehlen eines zentralen Virenscanners, was die Sicherheit der sensiblen Gesundheitsdaten gefährdet.

Darüber hinaus hebt Dr. Silke Lüder, stellvertretende Vorsitzende der FÄ und Allgemeinärztin aus Hamburg, hervor, dass die Vertraulichkeit zwischen Arzt und Patient – eine Säule der medizinischen Praxis – durch die zentrale Speicherung der Daten ernsthaft bedroht ist. Die Befürchtung ist, dass Patienten zögern könnten, sensible Informationen preiszugeben, wenn sie nicht sicher sein können, dass diese Informationen unter der ärztlichen Schweigepflicht geschützt bleiben.

Die Kritik richtet sich auch direkt gegen den Gesundheitsminister Karl Lauterbach, dem vorgeworfen wird, mit seinen Plänen für die ePA die ärztliche Praxis und den direkten menschlichen Aspekt der Medizin zu vernachlässigen. Dr. Lüder kritisiert insbesondere die Vision einer automatisierten Medizin, bei der Diagnosen und Behandlungsentscheidungen zunehmend von künstlicher Intelligenz getroffen werden, ohne den individuellen Patientenkontext zu berücksichtigen.

Neben den nationalen Plänen wirft auch der Vorschlag der EU-Kommission, einen einheitlichen EU-Datenraum zu schaffen, in dem die Gesundheitsdaten aller EU-Bürger zentral gespeichert werden