Erfahrungswissen von Patienten und Ärzten nutzen

Patientinnen und Patienten sind Experten in eigener Sache. Sie erleben Krankheitssymptome und Krankheitsverläufe individuell, sie machen ihre eigenen ganz persönlichen Erfahrungen im Versorgungsalltag und können mit diesem Erfahrungswissen wesentlich zur Weiterentwicklung eines patientenbezogenen Gesundheitswesens beitragen. Ihre unmittelbaren, persönlichen Erlebnisse innerhalb des Versorgungssystems stellen eine wertvolle Ressource dar, die entscheidend zur Evolution eines auf die Patientinnen und Patienten ausgerichteten Gesundheitswesens beitragen kann.

Die Beteiligung dieser Personen an der Gestaltung des Gesundheitssystems erweist sich daher sowohl auf der individuellen Interaktionsebene zwischen Behandelnden und Behandelten als auch auf der übergeordneten Ebene der gesundheitspolitischen Entscheidungsfindung als essenziell. Diese Ansicht vertrat Dr. Ellen Lundershausen, stellvertretende Vorsitzende der Bundesärztekammer, im Rahmen des vom Patientenbeauftragten der Bundesregierung initiierten „Jahres der Patientenbeteiligung“, welches das zwanzigjährige Bestehen der Einbindung von Patienteninteressenvertretungen in der gemeinsamen Selbstverwaltung feiert.

Dr. Lundershausen betonte weiterhin, dass sowohl Patientinnen und Patienten mit ihren individuellen Erfahrungshorizonten als auch Medizinerinnen und Mediziner mit ihrem professionellen Wissen aus der klinischen Praxis jeweils eine einzigartige Perspektive auf gesundheitspolitische Entscheidungen einnehmen. Das Gesundheitssystem wird demnach nicht als bloße Reparaturinstanz, sondern vielmehr als ein Raum der Fürsorge und zwischenmenschlichen Solidarität verstanden.

Aktuelle Forschungsarbeiten untermauern, dass das Konzept der gemeinsamen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) zwischen Behandelnden und Behandelten die Qualität der medizinischen Versorgung signifikant verbessert. Jedoch beschränken wirtschaftliche Druckfaktoren und personelle Engpässe häufig die Möglichkeiten für einen derart strukturierten Dialog.

Lundershausen kritisiert, dass politische Bestrebungen zur Maximierung der Effizienz im Gesundheitswesen in Kombination mit einer übermäßigen Regulierungsbürokratie dazu führen, dass medizinisches Fachpersonal regelmäßig an den Grenzen seiner Kapazitäten arbeitet. Diese Rahmenbedingungen minimieren die verfügbare Zeit für patientenzentrierte Gespräche und die gemeinschaftliche Ermittlung des optimalen Behandlungspfades.

Abschließend appelliert Dr. Lundershausen an die politischen Entscheidungsträger, die notwendigen Voraussetzungen für eine verstärkte Patientenpartizipation zu schaffen. Eine Abkehr vom paternalistischen Modell hin zu einer partizipativen Patientenversorgung wird bereits seit längerem von der Ärzteschaft gefordert. Sowohl Patientinnen und Patienten als auch medizinisches Fachpersonal stehen bereit, ihre Expertise in die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems einzubringen.