Strategie der Aktiven Überwachung bei Prostatakrebs noch immer nicht genügend bekannt

Die Diagnose Prostatakrebs ist für viele Männer ein Schock, der häufig zu einem blinden Aktionismus führt. „Möglichst schnell und radikal das Problem lösen, dabei auch Folgebeschwerden in Kauf nehmen, nur um schnell wieder als gesund zu gelten und sich nicht weiter mit der Thematik auseinandersetzen zu müssen. Das ist eine typische Reaktion auf diese Diagnose. Dazu tragen auch die vereinzelten Berichte über den Prostatakrebs-Tod Prominenter bei“, berichtet Prof. Dr. Lothar Weißbach, wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Männergesundheit.

Dabei ist nur in wenigen Fällen Gefahr im Verzug: Die meisten Tumoren, die bei der urologischen Früherkennungsuntersuchung entdeckt werden, sind lokal begrenzt und wenig aggressiv, sie wachsen langsam oder oft auch gar nicht. Eine defensive Strategie wie die Aktive Überwachung („Active Surveillance“) ist dann eine mindestens ebenso gute Option wie die Operation oder Bestrahlung, zumal Impotenz und Inkontinenz häufige Folgen dieser Interventionen sind. Bei der Aktiven Überwachung wird erst dann operiert, wenn es notwendig wird (falls überhaupt), jedoch nicht vorher und nicht verfrüht. Eine Metaanalyse [1] wissenschaftlicher Studien aus den Jahren 1980 bis 2011 zeigte, dass unter aktiver Überwachung einige Betroffene erst im weiteren Verlauf, die meisten aber gar nicht behandelt werden müssen. „Patienten sollten daher diese Behandlungsform nicht als passives, quälendes Abwarten empfinden, sondern als kluge Aktivstrategie, um möglichst lange mit guter Qualität leben zu können“, so Weißbach.

Die meisten Patienten nähmen sich aber weder ausreichend Zeit für eine überlegte Therapieentscheidung, noch nutzten sie das Angebot einer Zweitmeinung. Dabei werden die Kosten in der Regel von den privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen.

Ein weiteres Problem sei das Informationsdefizit. „Viele Patienten erfahren erst nach der Operation, dass die defensive Strategie der Aktiven Überwachung bei ihrem Tumor eine ebenso gute, wenn nicht gar bessere Alternative gewesen wäre“, kommentiert Weißbach. Im Vergleich zu den Informationsangeboten über die anderen Therapiemöglichkeiten bei Prostatakrebs gebe es nur wenig Material zur Aktiven Überwachung.

Die Stiftung Männergesundheit hat nun einen Beitrag geleistet, um dieses Lücke zu schließen. Sie hat ein umfangreiches Informations-portal zur Aktiven Überwachung („Active Surveillance“/AS) erstellt: www.as-bei-prostatakrebs.de. Männer, bei denen Prostatakrebs diagnostiziert wurde, können sich hier umfassend über „Active Sur-veillance“, aber auch über die anderen Therapiemöglichkeiten informieren. Die Kerninformationen werden in Kürze auch als Patientenbroschüre verfügbar sein.

[1] Dall´Era MA, Albertsen PC, Bangma C et al. Active Surveillance for Prostate Cancer: A Systematic Review of the Literature. European Urology 2012 (62): 976-983

Redaktion

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