Ohne gemeinsames Zielbild ergeben Einzelmaßnahmen keine Krankenhausstrukturreform

Prof. Dr. Jonas Schreyögg, Inhaber der Professur Management im Gesundheitswesen an der Universität Hamburg und wissenschaftlicher Direktor des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) sowie Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, sieht einen wesentlichen Aspekt in der Reform der Krankenhausvergütung. Sie sei der entscheidende Schlüssel zu Strukturveränderungen und zur stärkeren Integration der Sektoren. „Die Vergütung ist zu eng auf das DRG-System zugeschnitten“, stellt Schreyögg fest. Der Ökonom rät insbesondere in Fachabteilungen mit einem hohen Anteil nicht planbarer Fälle und geringer Kapazitätsauslastung zur Berücksichtigung von Vorhaltekosten in der Vergütung. Damit würde man den ökonomischen Druck zur Fallzahlausweitung entschärfen. Des Weiteren sollten DRGs an geografische Charakteristika und Versorgungsstufen angepasst sowie die Qualität in der Versorgung berücksichtigt werden.

Die Diskutanten der Podiumsdiskussion sind sich einig, dass die Finanzlage der Krankenhäuser und des Gesundheitssystems noch nie so brisant war wie in diesen Tagen. „Krankenhäuser werden nicht erst seit Corona von Hilfspaket zu Hilfspaket transferiert“, beklagt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. „Ich wüsste nicht, wie ich heute einen Wirtschaftsplan für ein Krankenhaus für 2024 aufstellen sollte“, gibt Gaß zu. Er stellt fest, dass das DRG-System nicht gescheitert, wohl aber an seine Grenzen gekommen sei. Dem stimmt auch Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes, zu: „Wir plädieren nicht für eine Abschaffung des DRG-Systems, wie von Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgeschlagen, sondern für eine Weiterentwicklung des DRG-Systems mit der Ergänzung um eine Vorhaltefinanzierung.“ Kai Swoboda, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der IKK classic, mahnt hinsichtlich der Finanzierungssicherheit des stationären Sektors auch noch einmal die Bundesländer an, ihrer Investitionsfinanzierung nachzukommen. „Den Krankenhäusern fehlen 30 Milliarden Euro Investitionsmittel“, erklärt Swoboda und gibt zu bedenken: „Die Länder wollen die Planungshoheit behalten, dann müssen sie aber auch die Pflichten vollumfänglich erfüllen!“

Die Vorständin des GKV-Spitzenverbandes bilanziert: „Von einer nachhaltigen Finanzierung und einer vernünftigen Krankenhausplanung kann aktuell noch nicht gesprochen werden.“ Die Ursachen hierfür liegen in strukturellen Defiziten, etwa der immer noch schwierigen Überwindung der Sektorengrenzen. Das Potenzial, operative Eingriffe ambulant durchzuführen, sei noch nicht ausgeschöpft, so Stoff-Ahnis. DKG-Vorstand Gaß erklärt: „Krankenhäuser können mehr als nur die vollstationäre Versorgung. Wir können komplexe ambulante Versorgung leisten.“ So wie man heute ambulant und stationär arbeite, können man in zehn Jahren nicht mehr arbeiten, meint er. Der Abgeordnete Prof. Dr. Armin Grau, Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, stimmt ihm zu: „De facto haben Krankenhäuser heute wenige ambulante Möglichkeiten. Es gibt ganz viele Bereiche, wo das Krankenhaus ambulant behandeln könnte, es aber nicht darf.“ Das müsse sich ändern, so der ehemalige Chefarzt. „Das Krankenhaus der Zukunft ist ein Kompetenzzentrum. Es muss sehr vielmehr ambulant tätig werden können.“