Medikament gegen Lebererkrankung könnte vor Coronainfektion schützen und COVID-19-Patienten helfen

Unterdrückung der Gallensäuren senkt ACE-2-Rezeptoren auch in Lunge und Darm

„Jetzt wollten wir natürlich wissen, ob dieser Zusammenhang auch in den Geweben besteht, die das eigentliche Ziel des Coronavirus sind, also in der Lunge und im Darm. Und tatsächlich fanden wir FXR auch in Organoiden, die wir aus Lungen- oder Darmzellen gewonnen hatten, und auch dort bewirkte eine Behandlung mit Gallensäuren zunächst ein Ansteigen von FXR und danach von ACE-2.“

Die spannende Frage war nun, ob sich der Prozess auch umkehren ließ: Könnte man die Menge der ACE-2-Rezeptoren über diesen Weg auch senken? „Wir hatten das Glück, dass es bereits Medikamente auf dem Markt gibt, die die Konzentration an Gallensäuren senken im Zusammenhang mit Lebererkrankungen. Diese Substanzen gaben wir zu den verschiedenen Organoiden aus Leber, Lunge und Darm, und tatsächlich verringerte sich daraufhin die Konzentration der ACE-2-Rezeptoren.
Prinzip funktioniert auch in Organoiden und Tieren…

In einem nächsten Schritt infizierten die Wissenschaftler/innen Organoide von Leber, Lunge oder Darm mit SARS-CoV-2-Viren, die sie aus Nasenabstrichen von infizierten Patient/innen gewonnen hatten. EInen Teil der Organoide hatten sie mit dem Medikament vorbehandelt, einen zweiten Teil nicht. Und in der Tat bewirkte das Medikament, dass die Infektionsrate stark zurückging.

Auch Mäuse und Hamster, denen die Forscher/innen das Medikament verabreichten, zeigten deutlich weniger ACE-2-Rezeptoren in ihren Nasen-, Lungen-, Leber- und Darmepithelzellen. Und tatsächlich schützte das Medikament Hamster vor einer Infektion mit dem Virus: Von sechs unbehandelten Hamstern steckten sich alle bei einem weiteren, infizierten Tier an, wurden krank und verloren an Gewicht. Von neun mit dem Medikament vorbehandelten Tieren steckten sich nur drei an und erkrankten auch weniger schwer.

„Wir konnten damit zeigen, dass das Medikament tatsächlich einer Infektion wirksam vorbeugt“, sagt Ludovic Vallier. „Allerdings wollten wir das natürlich für Menschen zeigen, nicht für Hamster.“

…und schließlich auch im Menschen

Die Wissenschaftler/innen untersuchten im nächsten Schritt menschliche Lungen, die außerhalb des Körpers durchblutet und beatmet wurden. Die beiden Lungenflügel wurden getrennt voneinander durchblutet, um den Effekt des Medikaments auf ein und dasselbe Organ überprüfen zu können. Folgerichtig durchbluteten sie den einen Lungenflügel mit einer behandlungsüblichen Konzentration des Medikaments, den anderen mit Placebo. Der zu Beginn des Experiments noch gleiche ACE-2-Spiegel in den beiden Lungenhälften veränderte sich daraufhin: Im behandelten Teil fiel er stark ab. Als die Forscher/innen die beiden Lungenflügel anschließend mit SARS-CoV-2 infizierten zeigte sich, dass die Vorbehandlung mit dem Medikament die Infektion tatsächlich deutlich behinderte.

In einem anschließenden Test erhielten acht Freiwillige das Medikament in der üblichen Dosierung für sechs Tage.

Danach haben wir in ihrem Nasenabstrich festgestellt, dass sich die Konzentration des ACE-2-Rezeptors auf ihren Nasenepithelzellen deutlich reduziert hatte. Auch im Serum von Patienten mit angeborenen Lebererkrankungen, die das Medikament schon längere Zeit eingenommen hatten, zeigten sich niedrigere ACE-2-Konzentrationen als bei Patienten, die das Medikament nicht einnahmen. Schließlich fand sich auch in Daten über Patienten mit Lebererkrankungen, die zusätzlich an COVID-19 erkrankt waren, dass die mit dem Medikament behandelten Patienten deutlich mildere Krankheitsverläufe aufwiesen, seltener auf die Intensivstation mussten und seltener verstarben.