Kinder werden nachts später trocken

In der heutigen Gesellschaft ist es wohl kein Geheimnis und nichts Ungewöhnliches mehr, wenn ältere Kinder noch auf Windeln angewiesen sind. Kindern die in Industriestaaten aufwachsen, dauert die Sauberkeitserziehung deutlich länger, als noch vor etwa zehn Jahren, dies belegen zahlreiche Studien. Obwohl die meisten Kinder mit vier Jahren zwar tagsüber trocken werden, haben sie nachts häufig länger Probleme die Blase zu kontrollieren. Damals wurden Kinder mit spätestens 3 Jahren nachts trocken. Heute tragen viele Kinder bis zum 6. Lebensjahr noch eine Windel. Die nächtliche Kontrolle über Blase und Darm entwickelt sich etwas langsamer als tagsüber.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte das Bettnässen (Enuresis) nun als Krankheit nach ICD-10 ein. Zuvor galt es als Befindlichkeitsstörung. Alleine in Deutschland sind 640.000 Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren betroffen. Bettnässen ist bei Kindern nach Asthma die zweithäufigste Krankheit. Bei den 5-Jährigen nässen bis zu 20 %, 10 % bei den 7-Jährigen, 1–2 Prozent bei den Jugendlichen und etwa 1 % der Erwachsenen ein. Rund 15 Prozent der Kinder, schaffen es ohne medizinische Hilfe nachts trocken zu werden, allerdings jedes 10 Kind, das mit 7 Jahren noch einnässt, hat das Problem bis ins Erwachsenenalter. Die Dunkelziffer könnte jedoch um einiges höher ausfallen, da viele nicht zum Arzt gehen.

In vielen deutschen Kindergärten gehören Windelkinder jeden Alters bereits zum Alltag. Moderne Einrichtungen haben sich mit der Zeit auf die problematische Entwicklung eingestellt und bieten größere Wickeltische, Windeln in verschiedenen Größen sowie Duschen zum Waschen an. Viele Kinder werden die Windel auch in der Grundschulzeit nicht los. Was für viel Unmut in den Familien sorgt. Bis zum 5. Schuljahr sind von 30 Kindern mindestens noch 2 Kinder noch Bettnässer.

Eine Studie von Professor Yeung belegt, das ältere Kinder und Jugendliche häufiger einnässen als jüngere. In Zahlen bedeutet dies, dass bei den 5-Jährigen etwa 14 Prozent und bei den Teenagern schon 49 Prozent jede Nacht ins Bett machen. Jungen sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Eine ärztliche Behandlung sollte ab dem 5. Lebensjahr beim Kinder- und Jugendarzt bzw. Kinder- und Jugendpsychiater angestrebt werden. Das Problem liegt jedoch nicht bei unfähigen Eltern oder faulen Kindern, sondern beim enorme Leistungsdruck, der auf den Nachwuchs ausgeübt wird. Dies erstreckt sich über das ganze Leben. Kinder müssen heute viele Entwicklungsphasen gleichzeitig erreichen und haben weniger Zeit für sich selbst. Den Leistungszwang halten viele Kinder nicht durch. Bettnässen ist die Folge.

Diese fatale Entwicklung setzt sich seit etwa 20 Jahren fort, was auch die Windelindustrie unlängst erkannt hat. Immer mehr Hersteller nehmen Windeln für größere Kinder im Angebot auf, denen Babywindeln mit der Zeit zu klein geworden sind. Neuerdings findet man auch spezielle Windeln für bettnässende Kinder und Jugendliche in jedem Drogerie- und Supermarkt, wobei es sich meist um Höschenwindeln (Pants) handelt, die für leichtes Bettnässen ausgelegt sind. Damals war dies undenkbar gewesen, der Absatz scheint jedoch recht lukrativ zu sein.

Bettnässende Jugendliche geraten oft in Panik, wenn beispielsweise die erste Klassenfahrt bevorsteht. Viele Jugendherbergen sind auf ältere Windelträger nicht eingestellt. Meist sind nur Mädchenklos mit einem Hygieneeimer für Binden ausgestattet, wobei eine Windel darin kaum entsorgt werden kann. Vor allem für Jungs entpuppt sich das Wickeln schnell zu einem Alltagsproblem. Viele Betroffene haben den Freundeskreis und das Umfeld meist nicht eingeweiht. Dabei könnte vieles so einfach sein.

In vielen Familien sind Windeln für ältere Kinder mittlerweile so normal geworden, dass der Nachwuchs auch beim Spielen und auf längeren Ausflügen sicherheitshalber gewickelt wird, um das Kind tagsüber vor peinlichen Unfällen zu bewahren. Windeln haben allerdings den entscheiden Nachteil, dass ein Lerneffekt bei den Kindern ausbleibt. Der Urin wird schnell absorbiert, sodass eine Rücknässung verhindert. Die Windel fühlt sich für das Kind nicht unangenehm an, obwohl diese schon mehrfach benutzt wurde. In manchen Fällen können Windeln auch das Bettnässen wieder verschlimmern und eine Inkontinenz entstehen.

Bei starken Bettnässern sind Windeln zwar die bessere Lösung, als beispielsweise ein Matratzenschutz. Jedoch sollten betroffene Kinder und Jugendliche selbst entscheiden, welches Hilfsmittel zum Einsatz kommen soll. Das Internet kann dabei helfen. Diskretion ist natürlich das A und O. Viele verbinden dies schnell mit einem Baby / Kleinkind. Ärzte raten den Eltern, mit der Sauberkeitserziehung zu warten, wenn es mit dem Töpfchentraining am Anfang nicht klappt. In der heutigen Gesellschaft sollte man zu junge Kinder nicht zu viel zumuten.