Niedrige Blutzuckerwerte (Hypoglykämie) sind eine der gefährlichsten Komplikationen bei Diabetes und stellen ein hohes Risiko bei kognitiv und motorisch anspruchsvollen Aufgaben dar, beispielsweise beim Autofahren. Der Nutzen bisher entwickelter Methoden zur Erkennung einer Hypoglykämie ist durch lange Diagnosezeiten, Invasivität, begrenzte Verfügbarkeit und hohe Kosten eingeschränkt. Eine kürzlich im Fachmagazin NEJM AI publizierte Studie von Forschenden der LMU in Zusammenarbeit mit dem Inselspital Bern, der ETH Zürich und der Universität St. Gallen eröffnet einen neuen Weg, eine Hypoglykämie während des Autofahrens zu erkennen.
Für ihre Studie sammelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von 30 Diabetikern, während diese ein echtes Fahrzeug steuerten. Für jede Person wurden die Daten einmal bei normalem Blutzuckerspiegel und einmal bei Hypoglykämie aufgezeichnet. Zu diesem Zweck wurden die Testpersonen von den im Auto anwesenden medizinischen Fachkräften gezielt in einen Zustand niedrigen Blutzuckers versetzt. Die gesammelten Daten umfassten Fahrsignale wie zum Beispiel die Geschwindigkeit des Fahrzeugs sowie Kopf- und Blickbewegungsdaten, beispielsweise die Geschwindigkeit der Augenbewegungen.
Anschließend entwickelten sie ein neuartiges Modell basierend auf maschinellem Lernen (ML), das hypoglykämische Phasen automatisch sicher erkennen kann, und zwar allein anhand der routinemäßig erfassten Daten zum Fahrverhalten und den Kopf- und Blickbewegungen.
„Diese Technologie könnte als Frühwarnsystem im Auto dienen und die Person am Steuer in die Lage versetzen, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, bevor Hypoglykämie-Symptome ihre Fähigkeit sicher zu fahren beeinträchtigen“, sagt Simon Schallmoser, Doktorand am Institute of AI in Management der LMU und einer der beteiligten Forscher.
Das neu entwickelte ML-Modell schnitt auch dann gut ab, wenn nur Kopf- und Blickbewegungsdaten verwendet wurden, was für zukünftige selbstfahrende Autos von entscheidender Bedeutung ist. Professor Stefan Feuerriegel, Leiter des Institute of AI in Management und Projektpartner, erklärt:
„Diese Studie zeigt nicht nur das Potenzial von KI zur Verbesserung der individuellen Gesundheitsversorgung, sondern auch ihre Rolle bei der Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr.“