Categories: Gesundheitswesen

Herzinfarkt mit KI besser vorhersagbar?

Vorhofflimmern zählt zu den häufigsten Herzrhythmusstörungen und gehört mit der Herzinsuffizienz und dem metabolischen Syndrom zu den stetig zunehmenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vorhofflimmern betrifft schätzungsweise 1,5 bis 2 Millionen Menschen in Deutschland. Dabei zeigen sich im Elektrokardiogramm (EKG) schnelle, unregelmäßige Aktivitäten innerhalb der Vorhöfe anstatt eines normalen Herzrhythmus. Infolgedessen lässt die Kontraktionskraft des Herzens nach und das Risiko für eine Herzinsuffizienz oder einen Schlaganfall steigt. Die kathetergeführte Verödung fehlerhafter Erregungsherde (Ablation) gilt als effektivste Behandlungsmöglichkeit, um eine langfristige Wiederherstellung des Sinusrhythmus zu erreichen.

Dennoch kommt es bei einem Teil der Patienten auch nach der Ablation erneut zu Vorhofflimmern. Aus diesem Grund ist es wichtig, innovative Methoden zu erforschen, mit denen sich der Therapieerfolg abschätzen und eine optimale Auswahl geeigneter Patient/innen treffen lässt. In Deutschland wurden allein im Jahr 2021 rund 103.000 Katheter-Ablationen durchgeführt (Deutscher Herzbericht 2022).

„Daher ist es enorm wichtig, die Erfolgsquote einer Ablation im Vorfeld möglichst exakt zu berechnen und so die Zahl der Rückfälle nach dieser Verödungsprozedur zu verringern. Das Forschungsprojekt am Herzzentrum Leipzig leistet hierzu einen wichtigen Beitrag, der auch der Sicherheit und Lebensqualität von Patienten mit Vorhofflimmern zugute kommt“, betont Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Kardiologe und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.

Wissenschaftliche Aufbereitung von EKG-basierten Daten mithilfe von KI

Ziel des von der Herzstiftung mit 92.800 Euro geförderten Projekts „ACCELERATE“ des Herzzentrums Leipzig und des Helios Health Institute in Berlin ist die Entwicklung von EKG-basierten Vorhersagemodellen, mit deren Hilfe sich der Erfolg einer Katheterablation zur Behandlung von Vorhofflimmern bzw. das Risiko für einen Rückfall (Arrhythmie-Rezidiv) nach Ablation sowie krankhafte Umstrukturierungsprozesse am linken Vorhof des Herzens (linksatriales Remodeling) verlässlich voraussagen lassen. Das Forschungsvorhaben leiten Dr. Sebastian König, Funktionsoberarzt der Abteilung Rhythmologie am Herzzentrum Leipzig, und Prof. Dr. Dr. Andreas Bollmann, Geschäftsführer und Medizinischer Direktor am Helios Health Institute sowie Leitender Oberarzt am Herzzentrum Leipzig.

Die Leipziger Forscher werden vorhandene Registerdaten des Herzzentrums Leipzig mit Routinedaten aus der klinischen Versorgung und weiteren Datenquellen wie der digitalen EKG-Datenbank „Leipzig Heart Center Atrial Fibrillation Ablation Registry“ ergänzen und umfassend hinsichtlich auftretender Muster analysieren. Ziel ist die Entwicklung von Vorhersagemodellen, die mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) zu einer umfassenden Analyse von Standard-12-Kanal-EKGs in der Lage sind. Bisher fanden EKG-basierte Parameter aufgrund der methodisch gesetzten Grenzen nur unter Einbeziehen einzelner Werte Eingang in derartige Analysen.

„In den letzten Jahren hat die Auswertung von Oberflächen-12-Kanal-EKGs mithilfe von künstlicher Intelligenz beziehungsweise Modellen des maschinellen Lernens immer mehr an Bedeutung gewonnen“, berichtet Dr. König und betont: „Der Einsatz dieser Technologien könnte die Vorhersage von Umstrukturierungsprozessen am Vorhof des Herzens weiter verbessern.“ Erste Studien zur Annäherung der Vorhofgröße hätten das bereits zeigen können.

Neue Vorhersagemodelle zur Risikoeinschätzung nach einer Ablation

Die Methodik für die auf KI- bzw. maschinellem Lernen (ML)-basierte Datenanalyse wurde von einem interdisziplinären Team um Prof. Bollmann etabliert. Sie soll die wenigen genauen klinischen Variablen und Scores, die bisher genutzt wurden, um die Effektivität des Herzrhythmuserhalts nach einer Ablation einzuschätzen, zukünftig ablösen. Das geförderte Forschungsprojekt hat ein positives Votum der lokalen Ethikkommission erhalten und kann somit mit der Integration der verschiedenen digitalen Datenquellen in eine Studiendatenbank beginnen. Für die unterschiedlichen Fragestellungen (Vorhersage von: Größe des linken Vorhofs, Vorhandensein von Arealen im linken Vorhof mit geringer Erregungsleitung (Low-Voltage-Areale), Risiko für ein Arrhythmie-Rezidiv [=wiederkehrende Rhythmusstörungen]), werden unterschiedliche Selektionskriterien eingesetzt und die entsprechenden Datensätze für die ML-basierte Entwicklung von Vorhersagemodellen herangezogen.

Eine externe Validierung der auf diese Weise entstandenen Modelle ist u. a. in Kooperation mit der Vanderbilt Universität, Nashville (USA) geplant. Ein Vergleich mit vorhandenen klinischen Vorhersagevariablen soll schließlich Aufschluss über die statistische Genauigkeit liefern. Wenn sich die neu entwickelten Modelle als verlässlich und genau herausstellen, würde dies einen wichtigen Schritt hin zu einer individualisierten Therapieentscheidung für Patient/innen mit Vorhofflimmern bedeuten, welcher lediglich einer schmerzfreien, günstigen und überall verfügbaren Basisdiagnostik bedarf.

Förderinitiative der Herzstiftung zum Vorhofflimmern: 1 Mio. Euro für die Forschung

Das Forschungsvorhaben von Dr. Sebastian König und Prof. Dr. Dr. Andreas Bollmann am Herzzentrum Leipzig ist eines von insgesamt 14 innovativen Forschungsprojekten im gesamten Bundesgebiet, das die Herzstiftung im Rahmen einer Forschungsförderinitiative mit einem Gesamtvolumen von einer Million Euro fördert. Die Folgen eines unerkannten und unbehandelten Vorhofflimmerns können gravierend sein. „Es besteht daher ein dringlicher Forschungsbedarf – vor allem, weil die Herzrhythmusstörung ein wesentlicher Risikofaktor für Herzkomplikationen und Schlaganfälle ist“, betont Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, erhöht sich durch Vorhofflimmern um das Fünffache.

Infos auch unter: https://herzstiftung.de/vorhofflimmern-projektfoerderung/ki

Redaktion

Recent Posts

Für finanzielle Stabilität der GKV müssen Politik, Leistungserbringer und Kostenträger gemeinsam sorgen

Im Jahr 2023 beliefen sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) laut vorläufigen Berechnungen auf…

1 Jahr ago

Gesetzliche Krankenversicherung nachhaltig finanzieren

Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben sich durch zahlreiche Gesetzgebungen der letzten und der…

1 Jahr ago

Rheuma-Medikamente könnten zu milderem Verlauf führen

Entgegen früherer Befürchtungen erkranken Rheuma-Patient:innen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht schwerer an COVID-19 als…

1 Jahr ago

BVMed fordert eigenen Gesundheitsausschuss im Europäischen Parlament

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) fordert in seinem Positionspapier zur Europawahl am 9. Juni 2024 einen…

1 Jahr ago

VPKA rückt die Reha in den Fokus der Politik

Dem Reha-Bereich kommt eine enorme Bedeutung zu, sowohl im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung…

1 Jahr ago

Screening viel wirksamer als gedacht

Dr. Jens Aschenbeck, ein Experte für Darmkrebs unter den niedergelassenen Magen-Darm-Ärzten, teilt mit, dass laut…

1 Jahr ago