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Die FLASH-Strahlentherapie verspricht weniger Nebenwirkungen durch extrem kurze Bestrahlungsdauer

Eine neue Strahlentherapie-Technologie könnte die Krebstherapie revolutionieren. Die Verabreichung hoher Strahlendosen in Sekundenschnelle schont das umliegende Gewebe und ist ersten experimentellen Daten zufolge sehr viel nebenwirkungsärmer als die konventionelle Strahlentherapie. Bestätigen sich die Ergebnisse in klinischen Studien, könnte FLASH auch bei Tumoren eingesetzt werden, bei denen wichtige Organe „im Weg sind“ und deswegen eine Bestrahlung bisher kritisch gewesen ist. Außerdem könnten mehr Re-Bestrahlungen möglich werden.

Die FLASH-Radiotherapie ist eine die Dosis stark modulierende Verabreichungsmethode der Radiotherapie, welche durch eine homogene Dosisverteilung mit sehr hohen Dosisraten charakterisiert ist (keine räumliche, sondern zeitliche Modulation der Dosis). Sie ermöglicht eine ultraschnelle Verabreichung der Strahlentherapie mit Dosisleistungen, die im Allgemeinen mehrere hundert bis tausend Mal höher sind als die derzeit in der klinischen Routinepraxis verwendeten. Beispiel: Bei der konventionellen Radiotherapie mit einer Dosisrate von 2 Gy/Minute dauert es etwa eine Viertelstunde, um eine Strahlendosis von 30 Gy zu applizieren, bei einer FLASH-Bestrahlung mit einer Dosisrate von 40 Gy/Sekunde dagegen weniger als eine Sekunde.

Der FLASH-Effekt beschreibt, dass bei einer hohen Dosisrate geringere Nebenwirkungen im Normalgewebe festzustellen sind, und zwar unter Aufrechterhaltung (und unter Umständen sogar Verbesserung!) der Tumorkontrolle. „Das heißt: Bei gleicher Wirkung kommt es zu deutlich weniger Nebenwirkungen“, erklärt Prof. Dr. rer. nat. habil. Udo Gaipl, Leiter Translationale Strahlenbiologie des Universitätsklinikums Erlangen.

Tierexperimentell konnte eine vergleichbare Anti-Tumor-Wirkung bei geringeren Nebenwirkungen an Mäusen, Zebrafischembryonen, Katzen und Mini-Pigs gezeigt werden. Die biologischen Mechanismen, die dem FLASH-Effekt zugrunde liegen, sind zwar noch nicht endgültig geklärt, experimentelle Studien konnten aber zeigen, dass

  • hohe Dosisleistungen die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) reduzieren,
  • durch die Verringerung des bestrahlten Blutvolumens im Blut zirkulierende Immunzellen geschont werden,
  • im Gewebe die Aktivierung von TGF-β reduziert wird, das Tumorzellen vor einer Attacke durch das Immunsystem schützt,
  • es zu einer geringeren Entzündungsinduktion kommt und
  • humane hämatopoetische Stamm- und Vorläuferzellen von FLASH-bestrahlten Mäusen im Gegensatz zu konventionell bestrahlten Mäusen die Fähigkeit behalten, das hämatopoetische System zu rekonstruieren.

Klinische Daten gibt es allerdings nur wenige, bisher liegen lediglich Fallbeschreibungen vor. Eindrucksvoll ist die Kasuistik eines Patienten mit einem multiresistenten kutanen Lymphom. Es zeigte sich ein vollständiges und dauerhaftes Ansprechen des Tumors mit einem vorübergehenden mäßigen Ödem in den den Tumor umgebenden Weichteilgeweben. Derzeit werden Studien zur klinischen Bewertung der Leistungen der ultrahochdosierten Strahlentherapie, wie z. B. von Hautkrebsläsionen, initiiert.

„Die klinische Erforschung der FLASH-Strahlentherapie ist dringend notwendig, da die präklinischen Daten große Hoffnungen machen“, erklärte Prof. Gaipl auf der Pressekonferenz der DEGRO auf dem Deutschen Krebskongress.

Sie deuteten darauf hin, dass die kurze Bestrahlungszeit das Normalgewebe schont und es somit zu weniger Nebenwirkungen kommt – was zu einer höheren Lebensqualität der Betroffenen beiträgt. Auch gesundheitsökonomisch sind die Ergebnisse nach Ansicht des Experten interessant – eine kurze Behandlungszeit bedeute in der Regel eine höhere Kosteneffizienz.

Die wesentlichen Vorteile sieht Prof. Gaipl aber darin, dass mit der FLASH-Bestrahlung zwei große Limitationen der Strahlentherapie überwunden werden könnten. „Wenn sich die präklinischen Daten bestätigen, können dann auch Patientinnen und Patienten, bei denen der Tumor ungünstig liegt, bestrahlt werden.“ Ein zweiter großer Vorteil sei, dass auch mehr Re-Bestrahlungen möglich wären. „Wir können die Patientinnen und Patienten also bei Bedarf öfter bestrahlen. Das ist machbar, weil die FLASH-Radiotherapie nebenwirkungsärmer ist als die konventionelle Strahlentherapie und teilweise auch, weil erst mit einer Einzeldosis über 10 Gy eine Strahlenresistenz von manchen Tumoren überwunden werden kann.“

Redaktion

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