Corona-Pandemie hat psychosoziale Probleme benachteiligter Jugendlicher verstärkt

Pandemiebedingte Einschränkungen verschlechtern psychosoziale Gesundheit

Das Ergebnis ist eindeutig und bestätigt die Beobachtungen aus der Praxis: „Die psychosoziale Gesundheit junger Menschen hat sich während der Pandemie verschlechtert – vor allem bei denjenigen, die ohnehin sozial und in Bezug auf ihre Bildungschancen benachteiligt sind“, fasst Beckmann zusammen. Rademaker wundert das nicht: „Seit Jahrzehnten beobachten wir diese Entwicklung im Zusammenhang von Gesundheit und sozialer Benachteiligung. Corona wirkt wie ein Brennglas, es verstärkt die Probleme.“ Die Professorin nennt ein Beispiel: „Wer Angst vor Klausuren hat, hat möglicherweise Eltern oder Freunde, die diese Ängste mit Wissen, Erfahrung oder auch Beziehungen auffangen können. Wer aber aus einem sozial- und bildungsbenachteiligten Haushalt kommt, ist häufig auf externe Unterstützung angewiesen wie die Soziale Arbeit in der Schule oder in Freizeiteinrichtungen.“ Während der Lockdowns fielen diese Unterstützungsangebote fast flächendeckend weg. „Das hat den Druck auf die Jugendlichen enorm verstärkt und die Gesundheit belastet.“

Dabei ist die allgemeine und psychosoziale Gesundheit eine wesentliche Voraussetzung dafür, eine entscheidende

Entwicklungsaufgabe zu schaffen, so Rademaker, nämlich den Übergang zwischen Schule, Ausbildung und Beruf zu meistern. „Das Gelingen oder Nicht-Gelingen in dieser Phase entscheidet mit über die späteren Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe und hat somit auch langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit.“ Deshalb nimmt co*gesund bildungsbenachteiligte Jugendliche in genau dieser Übergangsphase in den Blick und schließt damit eine – wie der Forschungsstand gezeigt hat – Forschungslücke. Was belastet die Jugendlichen? Mit welchen Maßnahmen können sie sinnvoll unterstützt werden? Wie lässt sich ihre Resilienz stärken? Karen Heid hat diese Fragen in Interviews mit Fachleuten der Sozialen Arbeit, Lehrkräften und in Gruppendiskussionen mit Jugendlichen erörtern lassen. „Wir können so verschiedene Perspektiven einbeziehen, insbesondere die derjenigen, die es direkt betrifft. Und hier erfahren wir auch, welche Ressourcen die Jugendlichen selbst mitbringen.“

Wer schon Verantwortung übernommen hatte, kam besser durch die Krise

Neben dem besagten Regelbruch hat sich dabei noch ein ganz anderer Faktor als Resilienz-Verstärker gezeigt: Verantwortung! „Wer bereits Verantwortung übernommen hat, ist in der Regel besser mit den Belastungen während der Pandemie zurechtgekommen.“ Anna Lena Rademaker hat das zum Beispiel an minderjährigen Flüchtlingen gesehen: „Jugendliche mit Fluchterfahrungen haben uns zum Teil berichtet, das sie der Lockdown nicht so sehr belastet hat. Sie hatten – salopp gesagt – bereits weit Schlimmeres gemeistert und mussten in deutlich höherem Maße gut auf sich selbst aufpassen, damit die Flucht gelingt.“

In den Interviews und Diskussionen zeigte sich auf der anderen Seite, dass der Wegfall der Unterstützungsangebote in der Berufsberatung und für die berufspraktische Erfahrung bei zahlreichen Jugendlichen zu großer Unsicherheit geführt hat. Rademaker: „Die Jugendlichen haben während der Pandemie keinen Einblick in die reale Arbeitswelt bekommen, konnten keine Berufe kennenlernen oder ausprobieren. Viele wissen jetzt nicht, wie sie sich entscheiden sollen, und haben Angst, dass ihre einmal getätigte Berufswahl endgültig ist.“

Nächster Schritt: Workshops mit Fachkräften und Jugendlichen

Mit den Erkenntnissen aus Forschungsüberblick, Interviews und Gruppendiskussionen bereitet das co*gesund-Team derzeit Workshops mit Fachkräften und Jugendlichen vor, um zum Abschluss des Projekts im Frühjahr 2023 Handlungsempfehlungen geben zu können, wie sich die Resilienz bildungsbenachteiligter Jugendlicher stärken und ihre Gesundheit fördern lässt.